Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Ausgangslage
Im zugrunde liegenden Sachverhalt verklagte eine arbeitsunfähig Erkrankte ihre Krankenversicherung auf Fortzahlung von Krankentagegeld. Die Versicherung stellte die Zahlung von Krankentagegeld infolge einer zusätzlich diagnostizierten Berufsunfähigkeit bei der Klägerin ein. Die Klage war erfolglos, die Zivilprozesskosten beliefen sich auf rd. 10.000 EUR. Die geltend gemachten Kosten wurden vom Finanzamt nicht berücksichtigt. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht blieben ebenfalls ohne Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) ließ die Revision zu und gab dieser mit Urteil vom 12.05.2011 – VI R 42/10 statt.
Bisherige Auffassung
Bisher konnten die Kosten eines Rechtsstreits nur in Ausnahmefällen und in Scheidungsverfahren steuerlich berücksichtigt werden.
Änderung der Auffassung
Laut der o. g. Entscheidung des BFH können nun die Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn die Kosten unausweichlich sind.
Die Zivilprozesskosten sind unausweichlich, wenn die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat. Damit schließt der BFH eine querulatorische oder eine willkürliche Rechtsverfolgung von der steuerlichen Berücksichtigung aus. Diese Differenzierung ist nachvollziehbar, dürfte aber in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Für das Finanzamt ist es kaum möglich, im Einzelfall zu prüfen, wann eine Rechtsverfolgung unausweichlich und wann mutwillig war. Hier sollte die Finanzverwaltung zeitnah brauchbare Abgrenzungskriterien entwickeln, die eine gute Handhabe sowohl für den Steuerzahler als auch für die Finanzverwaltung gleichermaßen bieten.
Empfehlung
Die Auswirkungen dieses Urteils sind nicht auf Zivilprozesskoten beschränkt. Steuerpflichtige sollten daher auch ihre Kosten aus Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren sowie aus Strafprozessen als außergewöhnliche Belastungen geltend machen und darlegen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung weder aussichtslos noch mutwillig gewesen ist. Die Kosten von Arbeitsgerichtsprozessen sind dagegen weiterhin als Betriebsausgaben/Werbungskosten abzugsfähig.