Stechuhr durch die Hintertür?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst eine Entscheidung über die Erfassung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern verkündet, die in der Presse zu unterschiedlichen Reaktionen geführt hat. Da wird behauptet, alle Unternehmen müssten nun die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Stechuhr erfassen, andere meinen der deutsche Gesetzgeber hätte bereits alles geregelt, sodass eine Umsetzung der Entscheidung in deutsches Recht nicht erforderlich und ein unnötiger bürokratischer Aufwand ist.
Es erscheint sinnvoll, der Frage nachzugehen, was die Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeit für die Zahnarztpraxis bedeutet. Wird nun eine Stechuhr in der Praxis benötigt?
Regelungen zur Arbeitszeit finden sich bei uns auf nationaler Ebene im Arbeitszeitgesetz (=ArbZG). Dieses regelt, dass die tägliche Arbeitszeit grundsätzlich nicht 8 Stunden überschreiten darf (§ 3 ArbZG). Leistet der Arbeitnehmer dennoch einmal Mehrarbeit sind die Überstunden gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 ArbZG vom Arbeitgeber aufzuzeichnen. Eine Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit mittels Stechuhr besteht zurzeit grundsätzlich nicht.
Die Arbeitszeit von Zahnarzthelfer/-innen und angestellten Zahnärzten/-innen ist häufig geprägt durch die Öffnungszeiten der Praxis. Da sich die Öffnungszeiten durch die Zusammenarbeit und Mitarbeit von mehreren Zahnärzten heute deutlich vergrößert haben und die Mitarbeiter immer häufiger in Teilzeit arbeiten, wird die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit in der Zahnarztpraxis einen immer größeren Aufwand erfordern.
Auch die Einstufung, ob Überstunden, z.B. durch die Tätigkeit im Notdienst, durchgeführt werden oder regulär Arbeitszeit abgeleistet wird, ist, so der EuGH in seiner Entscheidung, nur möglich, wenn dem Arbeitnehmer die geleistete Arbeitszeit bekannt ist. Dies setzt eine Messung der Arbeitszeit voraus (EuGH 14.05.2019, AZ: C-55/18). Weiter führt der EuGH aus, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Der EuGH führt aber auch aus, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich über einen Spielraum verfügen, die konkreten Modalitäten zu regeln und z.B. festzulegen, in welcher Form die Arbeitszeit zu erfassen ist. Auch können sich tätigkeitsbezogen oder unternehmensbezogen Besonderheiten ergeben, wie z.B. Betriebsgröße.
Es ist daher nunmehr der deutsche Gesetzgeber gefragt, Regelungen zu finden, wie die Arbeitszeit künftig aufzuzeichnen ist.
Doch keine Sorge, die Einführung einer Stempeluhr hat schon zu manch einer Überraschung geführt. Mancher Mitarbeiter muss bei Einführung einer Stempeluhr feststellen, dass er die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit gar nicht erbringt.
Moderne Stempeluhren bieten häufig neben der Aufzeichnung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit auch eine Verwaltung der Urlaubstage an. Lästiges Nachrechnen, ob dem Arbeitnehmer nun noch Urlaubstage zustehen und ob er Überstunden durch Freizeitausgleich erhält, übernimmt der Computer. Die für Stempeluhren anfallenden Kosten sind sehr unterschiedlich. Einige Systeme sind auf Karten basiert, andere auf den individuellen Fingerabdruck. Hier gilt es, wie immer, sich einmal auf dem Markt genau zu informieren. Eine Stechuhr ist auch ein objektiver Maßstab, der die Vertrauensbildung in der Praxis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fördern kann. In Wahrheit ist die Erfassung der Arbeitszeit ein Vorteil und eine Erleichterung in der Praxis und kein zu verurteilender Bürokratismus.
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