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Neulandmethode oder bloße Varianz einer anerkannten Behandlungsmethode?

Nicht nur, dass es im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich ständig neue Behandlungsmethoden gibt, sondern auch im Bereich der verwendeten Materialien sind laufend Veränderungen und Neuerungen zu verzeichnen, z. B. bei Zahnersatzmaterialien.

Dabei ist anerkannt, dass den Arzt bzw. Zahnarzt eine besondere Aufklärungspflicht über die Risiken und möglicher Behandlungsalternativen trifft, wenn er vom Standard abweicht und eine nicht erprobte Methode anwenden möchte. Der Patient muss bei Verwendung einer Neulandmethode nicht nur über das Für und Wider der geplanten Methode aufgeklärt werden, sondern der Patient ist auch darüber aufzuklären, dass es sich bei dem geplanten Eingriff nicht bzw. noch nicht um die Verwendung einer Standardmethode handelt und sie daher unbekannte Risiken für den Patienten mit sich bringt.

Doch was ist, wenn eine mit einer CE-Zertifizierung versehene Prothese verwendet wird, die im Material geringfügig von den früher verwendeten Prothesen abweicht? Trifft den Verwender dann eine erhöhte Aufklärungspflicht, weil er eine Neulandmethode verwendet oder handelt es sich bloß um eine Varianz einer anerkannten Behandlungsmethode, bei der den Verwender keine erhöhte Aufklärungspflicht trifft? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Oldenburg zu befassen (Urteil vom 14.12.2022, AZ: 5 U 70/19).

Zunächst hat das OLG Oldenburg ausgeführt, dass es sich nicht um einen Behandlungsfehler handelt, wenn eine mit einer CE-Zertifizierung versehene Prothese –im entschiedenen Fall handelte es sich um eine Bandscheibenprothese- verwendet wird.

Des weiteren hat sich das Gericht im Rahmen der Aufklärungsrüge mit der Frage auseinander gesetzt, wann es sich um eine Neulandmethode und wann es sich lediglich um eine Modifikation einer anerkannten Behandlungsmethode handelt. Das OLG Oldenburg hat ausgeführt, dass nicht jede kleine Veränderung im Detail automatisch dazu führt, dass von einer Neulandmethode auszugehen ist, da anderenfalls die Therapiefreiheit des Arztes zu stark eingeschränkt würde. Vielmehr habe der Behandler vor der Anwendung der veränderten Methode zu entscheiden, ob diese im Vergleich zu den etablierten Verfahren mit einem abweichenden und unbekannten Risikoprofil für den Patienten verbunden sei.
Aus diesem Grund hat das Gericht auch die Verwendung der Bandscheibenprothese im vorliegenden Fall nicht als eine Neulandmethode eingeordnet, nur weil die Prothese selbst aus leicht verändertem Material bestand. Das Risiko, dass eine Prothese nicht einwächst bzw. das Material nicht vertragen wird, ist auch bei etablierten Prothesen vorhanden und stelle daher ein allgemeines Risiko dar und keines, was nur bei der verwendeten leicht im Material veränderten Prothese zu erwarten war.

Für den zahnärztlichen Behandler bedeutet dies: Zum Beispiel beim Inserieren von Implantaten und beim Einbringen von Zahnersatz kommen ständig neue bzw. veränderte Materialien zum Einsatz. Doch die Entscheidung, ob es sich dabei um bereits anerkannte Methoden handelt oder um Neulandmethoden, über die der Patient besonders aufzuklären ist, ist auch nach der Entscheidung des OLG Oldenburg nur schwer zu treffen.

Im Zweifel gilt: Es kann nur zu wenig, nicht jedoch zuviel aufklärt werden.

Dieser Tipp kommt von:
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
30169 Hannover
Telefon: 0511 8074995

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