Behandlungsfehler: Fachstandard, Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, Leitlinien der Fachgesellschaften
Ist der Patient mit der Behandlung nicht einverstanden und wirft dem Behandler Behandlungsfehler vor, so ist dies stets unangenehm. Mittlerweile ist der Behandlungsfehler gesetzlich kodifiziert in den §§ 630 a ff BGB.
Erhebt der Patient den Vorwurf eines Behandlungsfehlers, so hat er zunächst zu beweisen, dass der Behandler ihm gegenüber eine Pflichtverletzung begangen hat. Kann der Patient diesen Beweis führen, muss er anschließend beweisen, dass der Behandlungsfehler bei ihm auch zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. Für beides ist der Patient beweislastpflichtig, es sei denn, der Patient kann beweisen, dass der Behandler einen groben Behandlungsfehler begangen hat. Kann der Patient den Nachweis eines groben Behandlungsfehlers führen, dreht sich die Beweislast und der Behandler muss sich exkulpieren.
Ein Behandlungsfehler ist grob, „wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.“ (BGH, Urteil vom 20.09.2011, AZ: VI ZR 55/09)
Bei der Pflichtverletzung stellt sich die Frage der Abgrenzung, d.h. die Frage nach dem Handeln, welches geboten gewesen wäre.
Die Behandlung hat nach dem allgemein anerkannten Fachstandard zu erfolgen, es sei denn, es ist etwas anderes vereinbart (§ 630 a Abs. 2 BGB). Was Fachstandard ist, hat der BGH in seinem Beschluss vom 22.12.2015, AZ: VI ZR 67/15, definiert. Danach gibt der Standard darüber Auskunft, „welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat. (m.w.N.)“
Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stellen den ärztlichen Mindeststandard dar. Sind sie nicht eingehalten, liegt ein Behandlungsfehler vor. Werden Sie beachtet, heißt dies aber nicht, dass der allgemein anerkannte ärztliche Standard eingehalten wird, denn entsprechend der medizinischen Erkenntnisse kann sich dieser schneller entwickeln, als die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Die von den medizinischen Fachgesellschaften herausgegebenen Leitlinien können dagegen nicht unbedingt mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden, sondern stellen lediglich Handlungsempfehlungen dar. Für die Bestimmung des fachärztlichen Standards sind sie aber von besonderer Bedeutung, so dass sich jeder Zahnarzt hiermit beschäftigen und sich laufend auch über deren Entwicklung informieren sollte.
Der Facharztstandard wird vom Behandler erwartet. Will ein Behandler neue Methoden anwenden oder alternative Medizin anwenden, muss er vorab den Patienten hierüber aufklären und diese Behandlungsweise mit dem Patienten vereinbaren –um Missverständnissen vorzubeugen schriftlich. Hierbei sollte der Behandler beachten, dass er verantwortlich behandlungsfehlerhaft handelt, wenn er vor der Alternativbehandlung keine medizinische Abwägung zwischen der von ihm gewählten Alternativbehandlung und der standardgemäßen Behandlung vorgenommen hat.
Kann der Patient den Nachweis führen, dass gegen den medizinischen Standard verstoßen wurde und ihm hieraus ein Gesundheitsschaden entstanden ist, haftet der Behandler für diesen Behandlungsfehler.
Dieser Tipp kommt von:
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
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