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Honoraranspruch bei unbrauchbarem Zahnersatz

Ein Behandlungsvertrag zwischen Zahnarzt und Patient kann grundsätzlich in bestimmten Fällen von Seiten des Patienten gekündigt werden, ohne dass dies Auswirkungen auf den Honoraranspruch des Zahnarztes hat. Häufig wird von Seiten des Patienten die Kündigung mit der Begründung ausgesprochen, dass der eingegliederte Zahnersatz mangelhaft sei. Ein Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 630 b BGB entfallen, wenn die fehlerhaft erbrachte Leistung in Folge einer Kündigung des Behandlungsvertrages für den Patienten kein Interesse mehr hat. Die Leistung muss für den Patienten vollkommen unbrauchbar sein, es genügt nach der Rechtsprechung nicht, dass sie objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzt.

Das Oberlandesgericht Köln hat sich in einer Entscheidung vom 10.06.2020, AZ: 5 U 171/19, eingehend mit der Frage beschäftigt, wann „schädliche Folgen“ der Nutzung für den Honoraranspruch des Zahnarztes bestehen können. Das Gericht hat ausgeführt, dass die Beurteilung dessen, was als tatsächliche Nutzung zu beurteilen ist und was im Rahmen des Zumutbaren noch zu tolerieren ist, nur im Einzelfall zu entscheiden ist.

An die Unzumutbarkeit aus rein wirtschaftlichen Erwägungen dürften strenge Anforderungen zu stellen sein. Der Hinweis des Patienten, ihm fehle das notwendige Geld für eine Neuversorgung, dürfte regelmäßig nicht ausreichen. Vielmehr wird zu fordern sein, dass trotz aller zumutbaren Anstrengungen einschließlich einer eventuellen Darlehensaufnahme eine Neuversorgung ernsthaft vom Patienten versucht werden muss.

In einer anderen Entscheidung des OLG Köln, die nicht veröffentlich worden ist, hat das Gericht ausgeführt, dass eine tatsächliche Nutzung der Versorgung, die ein Entfallen des Honoraranspruchs entgegenstehen würde, nicht unbedingt vorliegt, wenn der Patient die Versorgung für einen noch so kurzen Zeitraum im Munde trägt. Denn dies würde nach Meinung des Gerichts voraussetzen, dass eine objektive völlige Unbrauchbarkeit niemals einen Honoraranspruch entfallen lassen könnte. Eine „schädliche Nutzung“ liegt vielmehr dann vor, „wenn der Patient die Versorgung auch tatsächlich als Versorgung nutzen will, obwohl er eine reelle und zumutbare Möglichkeit hat, sie nicht zu nutzen.“ Dies ist nicht der Fall, „wenn sie nur als Notmaßnahme zur Vermeidung eines eventuellen noch größeren Übels weiterverwendet wird.“

Das von der Rechtsprechung geforderte Interesse des Patienten an einer Neuversorgung ist anzunehmen, wenn der Patient sich vom Weiterbehandler einen Heil- und Kostenplan hat erstellen lassen.

Das Interesse an der Neuversorgung ist auch dann erkennbar, wenn der Patient unmittelbar nach der letzten Behandlung einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eingereicht hat oder wenn der Patient alles unternommen hat, sich ein Privatgutachten erstellen zu lassen. Das gleiche gilt, wenn der Patient sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung gesetzt hat, um zu ermitteln, ob diese eine zweite Neuversorgung finanzieren werde.

Unerheblich erscheint auch in dem vom Gericht entschiedenen Fall für das Entfallen des Honoraranspruchs das Angebot des Erstbehandlers zu sein, die Prothetik in seiner Zahnarztpraxis neu herstellen zu lassen. Eine Unzumutbarkeit, den Zahnersatz erneut in der Praxis des erstbehandelnden Zahnarztes neu herstellen zu lassen, erkannte das Gericht jedoch darin, dass der potenzielle Erstbehandler die Neuversorgung von unzulässigen Bedingungen abhängig gemacht hatte. So sollte der Patient zuvor als Bedingung für die Weiterbehandlung das von ihm betriebenen selbständige Beweisverfahren zurücknehmen.

Streitigkeiten wegen eines unbrauchbaren Zahnersatzes landen oftmals vor Gericht. Dabei wird sehr sorgfältig die Frage zu differenzieren sein, ob der eingegliederte Zahnersatz tatsächlich völlig unbrauchbar ist und vom Patienten nicht als ausreichende Leistung anerkannt wird. Dies ist nicht der Fall wenn der Patient nicht alles daran setzt, eine Neuversorgung zu erhalten und zum Beispiel den eingegliederten Zahnersatz weiterhin nutzt ohne gezwungen zu sein, die Versorgung als Notmaßnahme zur Vermeidung eines eventuell noch größeren Übels noch weiter zu verwenden.

Beanstandet der Patient den Zahnersatz erst nach einer längeren Nutzungsdauer und wendet erstmalig zum Beispiel in einem Honorarstreit die Mangelhaftigkeit ein, so ist der eingegliederte Zahnersatz für den Patienten aufgrund der längeren Nutzung nicht wertlos. Der Honoraranspruch geht in diesem Fall nicht unter, selbst wenn ein Gutachter später feststellen sollte, dass der Zahnersatz mangelhaft sei.

Das Verhalten des Patienten nach Eingliederung des objektiv als mangelhaft festgestellten Zahnersatzes ist daher stets von entscheidender Bedeutung.

Dieser Tipp kommt von:
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
30169 Hannover
Telefon: 0511 8074995

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