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Der minderjährige Patient

Bei Behandlung von Jugendlichen stellt sich rechtlich die Frage, ob der minderjährige Patient selbst in die Behandlung einwilligen kann bzw. muss oder ob die Eltern die Einwilligung erteilen müssen. Zunächst ist grundsätzlich rechtlich zwischen der Geschäftsfähigkeit und der Einwilligung in eine Behandlung zu unterscheiden.
Die Geschäftsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, wirksam eine Willenserklärung zum Abschluss eines Behandlungsvertrages abzugeben, ist im BGB geregelt. Geschäftsfähig ist grundsätzlich, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Mit Eintritt der Volljährigkeit (§ 2 BGB) können Rechtsgeschäfte wirksam vorgenommen werden. Das heißt, vollgeschäftsfähige Personen können selbst Rechte und Pflichten begründen und sind z.B. zur Zahlung der Behandlungskosten verpflichtet.

Hiervon zu trennen ist die sogenannte Einwilligungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit nach entsprechender Aufklärung des Arztes in eine Behandlung einwilligen zu können. Die Notwendigkeit der Patienten, in eine Behandlung einwilligen zu müssen, beruht dogmatisch darauf, dass der Eingriff in die körperliche Integrität –auch bei einer ärztlichen Behandlung- grundsätzlich eine Körperverletzung darstellt, die aber rechtlich zulässig ist, wenn der Patient nach einer Aufklärung über Umfang und Risiken der Behandlung einwilligt. Dies ist mit Einführung des Patientenrechtegesetz ausdrücklich in § 630 d BGB verankert worden.
Grundsätzlich geht man davon aus, dass ein minderjähriger Patient unter 14 Jahren nicht die nötige Verstandesreife besitzt, um in eine Behandlung einzuwilligen. Zwischen dem 14. Und 18. Lebensjahr gibt es keine starren Altersgrenzen, wobei jedoch davon auszugehen ist, dass je älter der minderjährige Patient ist, desto wahrscheinlicher er über die nötige Verstandesreife zur Einwilligung verfügen wird.

Das OLG Hamm hat sich kürzlich sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob eine minderjährige Patientin (16 jährige) wirksam in einen Schwangerschaftsabbruch einwilligen kann und der Eingriff vorgenommen werden kann, auch wenn die Mutter gegen diesen Eingriff ist (Beschluss vom 29.11.2019, AZ: 12 UF 236/19). Das Gericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die minderjährige Patientin wirksam in die Behandlung –hier einen Schwangerschaftsabbruch- einwilligen kann, wenn sie über die notwendige Verstandesreife verfügt, den Nutzen der Behandlung gegen deren Risiken und Folgen für die eigene Gesundheit abzuwägen (medizinische Selbstbestimmung), um schließlich eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Der minderjährige Patient muss in der Lage sein, die Konsequenzen für das weitere Leben zu erfassen. Verfügt der minderjährige Patient über diese Verstandsreife, so das OLG Hamm in seiner Entscheidung, ist dem Selbstbestimmungsrecht des minderjährigen Patienten der Vorrang vor dem elterlichen Erziehungsrecht einzuräumen.

Auch wenn, so führt das OLG Hamm in seiner Entscheidung aus, nach Vollendung des 16. Lebensjahres häufig eine hinreichende Reife des Patienten angenommen werden kann, muss der Arzt gleichwohl in jedem Einzelfall prüfen, ob der minderjährige Patient konkret über die notwendige Verstandesreife verfügt. Es sind dabei an die Feststellungen des Arztes hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Arzt muss sich im Rahmen seiner Aufklärung davon überzeugen, dass der minderjährige Patient die Risiken und Folgen der Behandlung erfasst und in der Lage ist, die Konsequenzen für sein weiteres Leben zu erfassen. Nur wenn er sich hiervon überzeugt hat, kann er von einer wirksamen Einwilligung des minderjährigen Patienten ausgehen.

Bei der Behandlung von minderjährigen Patienten muss daher zum Abschluss des Behandlungsvertrages die Zustimmung der Erziehungsberechtigten eingeholt werden (Geschäftsfähigkeit).

In die Behandlung selbst kann der minderjährige Patient wirksam einwilligen. Hierzu muss sich der Behandler aber zuvor im Rahmen des Aufklärungsgesprächs davon überzeugt haben, dass der minderjährige Patient über die nötige Verstandesreife verfügt, um wirksam einzuwilligen. Dabei ist auch die Schwere und die Notwendigkeit des Eingriffs und deren Konsequenzen auf die Lebensumstände entscheidend. Demgemäß wird von den behandelnden Ärzten im Einzelfall ein hohes Maß psychologischen Einfühlungsvermögens abverlangt.

Diese Tipps kommen von:
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
30169 Hannover
Telefon: 0511 8074995

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