Der lückenhaft ausgefüllte Anamnesebogen
Beim ersten Besuch hat der Patient in der Regel, bevor er das Behandlungszimmer betritt, einen Anamnesebogen auszufüllen. Neben Angaben, wie z.B. Name, Anschrift, Versicherung etc. enthält der Anamnesebogen auch Fragen zu Vorerkrankungen, Erkrankungen, Allergien, Medikation etc., die für die folgende Behandlung von Interesse sein könnten.
Trotz Routine sollte der Behandler einen Blick in den ausgefüllten Anamnesebogen werfen. Denn häufig wird der Anamnesebogen vom Patienten nicht vollständig ausgefüllt oder die Angaben des Patienten sind in sich widersprüchlich. Beispielsweise wird die Frage, ob Allergien vorliegen, vom Patienten nicht beantwortet, oder der Patient verneint z.B. Blutverdünner zu nehmen, gibt aber an, dass er regelmäßig Marcumar einnimmt.
Es sollte darauf geachtet werden, dass der Patient bzw. sein gesetzlicher Vertreter den Anamnesebogen unterschreibt, weil er sonst an Bedeutung und Beweiskraft verlieren würde.
Auch wenn es im Einzelfall für die Behandlung nicht – sofort – erforderlich ist, zu wissen, ob und gegen welche Pollen der Patient beispielsweise allergisch reagiert, sollte dennoch darauf gedrungen bzw. beim Patienten nachgefragt und der Anamnesebogen entsprechend ergänzt werden, wenn keine Angaben zu Allergien gemacht werden. Denn erhebt der Patient später den Vorwurf, gegen den eingegliederten Zahnersatz allergisch zu sein, hat aber im Anamnesebogen Allergien verneint, können seine Angaben dem Patienten vorgehalten werden.
Besteht ein Behandlungsverhältnis über Jahre, so sollte von Zeit zu Zeit auch einmal nachgefragt werden, ob Änderungen im Gesundheitszustand des Patienten oder der Medikation eingetreten sind. Bei bekannter Herzerkrankung könnte es zu einer Verschlechterung der Erkrankung gekommen sein, so dass mittlerweile Blutverdünner eingenommen werden. Es erscheint daher mitunter angebracht, will man unliebsame Überraschungen vermeiden, Rückfrage zu nehmen, auch deshalb, weil sich der Patient der Risiken häufig gar nicht bewusst ist.
Es sollte im Rahmen der Organisation der Praxis sichergestellt sein, dass Mitteilungen der Patienten, wie z.B. Allergien, in der Karteikarte so vermerkt werden, dass sie sofort auffallen. Der immer wieder benannte „rote Reiter” ist auch noch heute in diesem Fall äußerst hilfreich.
Anamnesebogen sind häufig bereits standardisiert zu erhalten. Gegen eine Benutzung ist nichts einzuwenden. Doch es sollte überprüft werden -und diese Prüfung sollte von Zeit zu Zeit auch wiederholt werden-, ob in dem verwendeten Bogen alle für die Behandlung wichtigen Fragen gestellt werden. Es kann durchaus sein, dass noch weitere medizinische Fragen vom Patienten beantwortet werden sollten. Dann kann gegebenenfalls der Bogen ergänzt werden oder die Fragen sollten routinemäßig zu Beginn der Behandlung gestellt werden. Eine solche Frage könnte z.B. sein, wann und bei wem zuletzt eine Röntgenaufnahme oder gar ein DVT erstellt wurde.
Auch wird sich der Patient besonders aufgehoben fühlen, wenn zu Beginn der ersten Behandlung nachgefragt wird, warum eine Frage nicht beantwortet wurde.
Es lohnt sich auch aus diesem Grund, vor Behandlungsbeginn einen Blick in den Anamnesebogen zu werfen! Dieser ist Bestandteil der Behandlungsunterlagen und kann bei Auseinandersetzungen mit dem Patienten von entscheidender Bedeutung sein.
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