Außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kurz vor der Abschlussprüfung?
Ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gestört, kommen beim Arbeitgeber meist die Überlegungen, wie man sich von diesem unliebsamen Mitarbeiter trennen kann und was hierbei beachtet werden muss. § 626 Abs. 1 BGB legt fest, dass ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung von Kündigungsfristen gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. In letzter Zeit hat das Bundesarbeitsgericht sich besonders mit der Frage auseinander gesetzt, ob der dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten eine sofortige Kündigung rechtfertigt und ist häufig zu dem Ergebnis gelangt, dass eine sofortige Kündigung nicht verhältnismäßig gewesen sei. Vor einer sofortigen Kündigung hat der Arbeitgeber stets zu prüfen, ob es nicht ein milderes Mittel, wie z.B. eine Abmahnung, gibt, um die Vertragsstörung zu beseitigen. Bei einer sofortigen außerordentlichen Kündigung ist das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen (vgl. BAG, AZ: 2 AZR 381/109; BAG, AZ: 2 AZR 541/09 (Fall Emily).
Grundsätzlich kann auch ein Ausbildungsverhältnis vom Arbeitgeber und vom Auszubildenden außerordentlich ohne Einhaltung von Kündigungsfristen gekündigt werden (§ 22 Abs. 2 Ziffer 1 Berufsbildungsgesetz).
Vom Auszubildenden kann gem. § 22 Abs. 2 Ziffer 2 Berufsbildungsgesetz das Berufsausbildungsverhältnis unbeschadet der Kündigung aus wichtigem Grund mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen gekündigt werden, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will.
Für die Kündigung von Ausbildungsverhältnissen aus wichtigem Grund gilt ein besonders strenger Maßstab bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte sich mit der Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses zu befassen, die vom Arbeitgeber ausgesprochen wurde, weil der Arbeitnehmer ca. 2 Wochen vor seiner Abschlussprüfung unentschuldigt dem Betrieb ferngeblieben war (LAG Köln, AZ: 11 Sa 783/12). Es hat ausgeführt, dass eine fristlose Kündigung kurz vor Prüfungsbeginn nur bei ganz gravierenden Verfehlungen wirksam ist. Ein unentschuldigtes Fehlen kurz vor Prüfungsbeginn stellt keine solche schwerwiegende Verfehlung dar, weil mit dem milderen Mittel der Abmahnung der Auszubildende auch auf seine Verfehlungen hätte hingewiesen werden können. Die bei einem Erwachsenen anzulegenden Maßstäbe für einen Grund zur außerordentlichen Kündigung können auf ein Ausbildungsverhältnis nicht angewendet werden, weil es sich hierbei in der Regel um Jugendliche oder Heranwachsende handelt, deren charakterliche, geistige und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist und es zur Aufgabe des Ausbilders gehört, den Auszubildenden charakterlich zu fördern (LAG Köln, AZ: 11 Sa 783/12). Schwerwiegende Belastungen, die durch das unentschuldigte Fehlen der Auszubildenden im Betrieb entstanden sind, wurden vom Arbeitgeber nicht vorgetragen und waren für das Gericht auch nicht ersichtlich.
Besonders bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass das Landesarbeitgericht Köln ausgeführt hat, dass die Kündigungsmöglichkeit immer schwieriger wird und die Verhältnismäßigkeit um so genauer zu beachten ist, je näher der Prüfungstermin des Auszubildenden heranrückt. In dem Zeitpunkt, in dem die Ausbildung und damit auch die vom Gericht angesprochene charakterliche Formung nahezu abgeschlossen ist, wiegt ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine vertraglichen Pflichten am wenigsten.
Zur Vervollständigung sei noch darauf hingewiesen, dass im vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedenen Fall der Arbeitgeber abgemahnt hatte, weil der Auszubildende zuvor bereits zwei Wochen krank geschrieben war, trotz Krankschreibung aber zur Berufsschule gegangen war. Aus diesem Grund hatte der Arbeitgeber die Krankschreibung angezweifelt. Im Rahmen des Prozesses stellt sich dann aber heraus, dass der Arzt den Auszubildenden zwar krankgeschrieben hatte, ihm aber ausdrücklich geraten hatte, die Berufsschule zu besuchen. Die Abmahnung für diesen Zeitraum war daher nichtig. Eine weitere Abmahnung für den Zeitraum des unentschuldigten Fehlens erfolgte nicht, sondern die sofortige fristlose Kündigung, die wegen der fehlenden Abmahnung unwirksam war.
Es bleibt nun für den Arbeitgeber in Fällen dieser Art zu hoffen, dass die Prüfung vom Auszubildenden bestanden wurde, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, das Arbeitsverhältnis zu beenden.