Parodontitis-Behandlung muss für 30 Millionen Patientinnen und Patienten erhalten bleiben
Presseinformation der KZVN:
– Mehr als 15.000 Protestschreiben: niedergelassene
Zahnärztinnen und Zahnärzte fordern Änderungen des GKV-
Finanzstabilisierungsgesetzes –
Hannover, 07.09.2022. Anlässlich des in Kürze beginnenden parlamentarischen Verfahrens
über das sog. GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) haben sich, organisiert von den
17 Kassen-zahnärztlichen Vereinigungen (KZV), bundesweit mehr als 15.000 niedergelassene
Zahnärztinnen und Zahnärzte an einer Protestaktion gegen das Gesetz beteiligt. Ziel der Aktion
der KZVen ist die Sicherung der Behandlung von Parodontalerkrankungen nach der neuen
Parodontitis-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA). Diese
präventionsorientierte Behandlung wird durch die aktuelle Gesetzesfassung quasi abgeschafft.
Hintergrund:
Erst 2021 wurde gemeinsam mit den Krankenkassen, der Ärzteschaft, den Patientenvertretern
und den Fachgesellschaften die moderne, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie in den
GKV-Leistungskatalog aufgenommen – und dies unter Mitwirkung des Bundesgesundheits-
ministeriums. Neben den unmittelbar positiven Auswirkungen für die Mundgesundheit verhindert
die Parodontitis Therapie Herz-Kreislauferkrankungen, die Wechselwirkung mit Diabetes ist
wissenschaftlich belegt und weitere durch die chronischen Entzündungen ausgelösten
Krankheiten unterstreichen die Bedeutung der Parodontitisbehandlung.
Die Aufnahme der dreijährigen sog. „Therapiestrecke“ in den GKV-Leistungskatalog war ein
großer Fortschritt für eine präventionsorientierte Gesundheitsversorgung. Über das Instrument
der nun geplanten Budgetierung entzieht das Gesetz der Versorgung einen Teil der
erforderlichen finanziellen Mittel mit gravierenden Folgen: Begonnene Behandlungen, die sich
nach der Richtlinie über drei Jahre erstrecken, können dann zu Teilen nicht zu Ende geführt
und neue Behandlungen nicht begonnen werden. Davon sind mehr als 30 Millionen Versicherte
betroffen, denen der rechtlich zugesagte Leistungsanspruch auf eine wirksame
Parodontalbehandlung durch dieses Gesetz wieder indirekt entzogen wird.
Neben diesen für die Versorgung gravierenden Auswirkungen muss sich der Bundesminister
die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet in dem Bereich des Gesundheitssystems, der
durch konsequenten Ausbau von Prophylaxe und Prävention seinen Anteil an den GKV-
Ausgaben von 2000 bei 9 % liegend auf heute nur 6 % heruntergefahren hat, nun eine
Budgetierung eingeführt werden soll. Wie wenig durchdacht dieser Ansatz ist, zeigen die
Konsequenzen für die Parodontalbehandlungen.
Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat daher nach aufklärenden und konstruktiven
Argumenten der KZBV und der KZVen sowie Kommunikation der jeweiligen
Landesgesundheitsminister mit Vertretern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in den
Ländern nun gefordert, das Gesetz an dieser Stelle zu ändern und die Parodontitisbehandlung
in vollem Umfang weiter zu ermöglichen.
Vor den in den kommenden Sitzungswochen beginnenden entscheidenden Verhandlungen des
Gesetzes im Deutschen Bundestag fordern die unterzeichnenden Vertragszahnärztinnen und –
zahnärzte vom Bundesgesundheitsminister, auf diese in keiner Weise nachvollziehbare
Leistungskürzung zu verzichten und beim Gesetz nachzubessern.
Dr. Thomas Nels, Vorstandsvorsitzender der KZVN: „Es ist gelungen, die
Landesgesundheitsminister davon zu überzeugen, dass dieses Gesetz in der jetzigen Fassung
fatale Auswirkungen nicht nur für die Mundgesundheit, sondern wegen der eindeutig belegten
Zusammenhänge von Parodontitis etwa mit Herzkreislauferkrankungen und Diabetes, auch
insgesamt für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten hätte. Herr Minister Lauterbach
hat öffentlich angekündigt, dieses Gesetz werde ohne weitere Änderungen durch den
Bundestag gehen. Dem widersprechen nicht nur die Gesundheitsexperten der Länder, sondern
bundesweit mehr als 15.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte.Herr Minister, hören Sie auf
diejenigen, die Tag für Tag die Menschen behandeln und gewähren den Patientinnen und
Patienten auch zukünftig die notwendige medizinische Versorgung“.
Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigung, die ebenfalls vehement für Änderungen an dem Gesetz eintritt, ergänzt:
„Dies ist eine klare Botschaft an den Bundesgesundheitsminister: Mehr als 15.000
niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, die in der täglichen Praxis erleben, was die
faktische Abschaffung der erst letztes Jahr im Konsens mit den Krankenkassen, den
Patientenvertretern, den Fachgesellschaften und dem Bundesgesundheitsministerium
verabschiedeten Parodontitis Therapie für die Gesundheit ihrer Patienten bedeuten würde,
setzen hier ein eindeutiges Signal, das der Minister nicht ignorieren kann. Die klare Haltung der
Kolleginnen und Kollegen gibt uns auch Rückenwind für die Gespräche und Anhörungen im nun
beginnenden parlamentarischen Verfahren“.
Ein Gesetz, insbesondere eines, das Auswirkungen für das Funktionieren des deutschen
Gesundheitssystems und damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung hat, wird nicht
vom Gesundheitsminister diktiert, sondern in einem parlamentarischen Verfahren von den
Mitgliedern des Deutschen Bundestages als Gesetzgeber beschlossen. Die
Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sind zuversichtlich, dass in diesem Verfahren ihre
Argumente im Interesse der Patientinnen und Patienten Berücksichtigung finden und wie auch
vom Gesundheitsausschuss des Bundesrats gefordert, die großen Fortschritte in der
Parodontitisbehandlung nicht durch dieses Gesetz zunichte gemacht werden.
– in Kooperation mit den kassenzahnärztlichen Vereinigungen Deutschlands –