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Gematik GmbH: Mit „WANDA“ erhält die Datenautobahn neue Auf- und Abfahrten – auch für die Industrie?

26. Mai 2021 9:14

Es war ein offenes Geheimnis, dass die Datenautobahn der TI früher oder später die eine oder andere zusätzliche Auf- und Abfahrt erhalten würde. Wenn die gematik Gesellschaft mit beschränkter Haftung nun mit Stolz die Geburt von „WANDA“ verkündet, dann dürfte auch dem letzten Wohlgesonnenen klar werden, wohin die Reise auf der Datenautobahn gehen soll. Nicht zufällig hat der Bundesgesundheitsminister im Sommer 2019 den ihm durch ein Immobiliengeschäft bekannten und lobbyerfahrenen Pharma-Manager Dr. Markus Leyck Dieken als hochbezahlten Chef-Digitalisierer im Gesundheitswesen inthronisiert. Er nimmt laut Corporate Governance Bericht 2019 Geschäfte der gematik „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ wahr und findet seit 2019 außerdem Zeit für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der PAION AG, einem börsennotierten biopharmazeutischen Unternehmen. Da ist ein Interessenkonflikt nahezu ausgeschlossen.

https://www.paion.com/de/medien-investoren/corporate-governance/erklaerung-zur-unternehmensfuehrung/

Ferner gibt es mit dem „Associate“ Martin Heisch eine personelle Verbindung zwischen dem „Produktmanagement“ der gematik und einer schweizerischen Anwaltskanzlei für alle Bereiche des Wirtschaftsrechts. Die Zwangs-Beteiligung von Körperschaften des öffentlichen Rechts als festgeschriebene Minderheit an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirkt auf den ersten Blick höchst fragwürdig. Dies umso mehr, als die gematik zumindest in Teilen als Geschäftsbetrieb gesehen werden kann.

Nun scheint die „Investition“ für die gematik GmbH aufzugehen; denn der neue Geschäftsführer hält sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern steuert die gematik mit Verve in Richtung eines Wirtschaftsbetriebes. Mit „WANDA“ wird, wie die gematik nun formuliert, eine weitere Anwendung für den Datenaustausch nachgeladen.

Datenaustausch bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass die Datenautobahn neue Ab- und Auffahrten erhält. Aber für wen – und zu wessen Nutzen?

Mit blumigen Worten preist die gematik in ihrer Pressemitteilung vom 03.05.2021 das neue Produkt an:

„Heute stellen wir die wohl facettenreichste Möglichkeit, die Telematikinfrastruktur (TI) aktiv zu nutzen, mit ihrem neuen Namen, einem eigenen Logo und zusätzlichen Funktionalitäten vor“

Deutlicher wird es im weiteren Text; denn mit der „weiteren Anwendung“ können, so frohlockt die gematik, die „unterschiedlichsten Angebote von Drittanbietern, etwa aus der Gesundheitsforschung oder Industrie, die Telematikinfrastruktur als primäre Plattform für eine sichere Vernetzung“ genutzt werden. Es ist zwar liebevoll untergemischt, aber es ist ausgesprochen: das Wort „Industrie“. Nunmehr soll also die Industrie mit „WANDA“ die Möglichkeit erhalten, an den Daten der TI direkt zu partizipieren. Soll der industrielle Gemischtwarenladen damit eine eigene Auffahrt erhalten, um als Drittanbieter die TI als primäre Plattform für Angebote zu nutzen?

gematik als Mautstation?

Als Mautstation für die Auf- und Abfahrten bietet sich die gematik gleich selbst, aber nicht selbstlos, an, wenn es in der PM heißt: „Die Voraussetzung ist ein Bestätigungsverfahren – nämlich WANDA, kurz für: Weitere Anwendungen für den Datenaustausch –, das diese Dienste bei der gematik durchlaufen und erfolgreich absolvieren müssen.“

Geschäftstüchtig geht es weiter, denn die gematik bietet für das Datengrabbing eine Standardnutzung und eine Deluxe-Nutzung an, wenn es heißt: „Die Anwendungen können als Option „Smart“ oder „Basic“ gebucht werden. WANDA-„Smart“-Nutzer können dabei auf zentrale Dienste der Telematikinfrastruktur zugreifen oder kryptografische Identitäten der TI für eigene Anwendungszwecke mitnutzen, wohingegen in der Anbindungsoption „Basic“ der Anschluss an die TI ohne die Nutzung dieser Dienste möglich ist.“

„Bezahlbarer“ Zugang für die Industrie

Mit dem Wortgeschwurbel einer Werbeagentur will die gematik der Industrie einen „unkomplizierten“ und „bezahlbaren“ Zugang zum Netz andienen. Das jedenfalls ließe sich aus dem folgenden Text der PM extrahieren:

„Die bisherige sperrige Bezeichnung bzw. Bestätigung der gematik für diese weiteren Anwendungen als „aAdG-NetG-TI“ wird durch dieses ‚Makeover‘, das weit mehr als nur den Namen betrifft, abgelöst. Lars Gottwald, Leiter Business Teams bei der gematik, betont: „Wir wollen mit WANDA ein attraktives Angebot an die Industrie und die Leistungserbringer richten, in dem wir ihnen beispielsweise einen unkomplizierten und bezahlbaren Zugang zum Netz stellen und sie auf dem Weg ihrer Anwendung in die Telematikinfrastruktur unterstützen. Daran arbeiten wir kontinuierlich: So eröffnen wir nun durch unseren zentralen Plattformdienstleister neue technische Möglichkeiten für die Anbieter einer WANDA – beispielsweise, ihre Anwendung sicher in der Provider Zone zu hosten, ganz ohne teure Netzzugänge oder hohe Betriebskosten für eine extern betriebene Leitung. “Ein Service, der immer mehr Zuspruch findet: „Das Anwendungsspektrum der Anfragen reicht von einer elektronischen Fallakte über Abrechnungsunterstützung für Leistungserbringer bis hin zu innovativer Prozesssteuerung beim schnellen Auffinden von Experten für eine Zweitbeurteilung im Notfall oder auch dem Zugriff auf medizinische Register“, ergänzt der Produktmanager für WANDA, Martin Heisch. Das Potenzial, das WANDA für die Telematikinfrastruktur bietet, soll nun – nicht nur, aber auch dank des neuen Looks -weiterwachsen.“

Es wird vermutlich nicht die letzte Geschäftsidee des erfahrenen Geschäftsführers bleiben. Immerhin lässt diese PM die Zielrichtung deutlicher denn je erkennen.

Wer den Drang verspürt, in die Tiefen der „Richtlinie Nutzungsvoraussetzungen der TI für weitere Anwendungen des Gesundheitswesens sowie für die Gesundheitsforschung“ einzutauchen, dem wird unter

https://fachportal.gematik.de/anwendungen/weitere-anwendungen

das Geflecht und das Geschäftsfeld nebst Gebührenstruktur, das sich hinter der Fassade der gematik GmbH entwickelt, noch deutlicher vor Augen geführt. Die zunehmende Verknüpfung mit wirtschaftlichen Interessen ist für manchen Zeitgenossen unübersehbar und sollte bei der Politik mehr Beachtung finden.

Dr. Michael Loewener

Wedemark

Erstveröffentlichung: dzw  20/2021

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