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Er, Sie und Divers

14. Februar 2019 13:15

Eine sprachpolizeiliche Farce

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 1*) (AGG) aus dem Jahr 2006, auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, zielt darauf ab, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. So weit, so gut! Ganz abgesehen davon, dass die arbeitsrechtliche Interpretation des Gesetzestextes ohne juristischen Sachverstand problematisch ist, stehen die geschlechtliche und sexuelle Identität aktuell im Fokus.

Eine aktuelle Pressemeldung des Schleswig-Holsteinischen Landtages 0*) weist unter Bezug auf das AGG darauf hin, dass seit dem 1. Januar 2019 in Stellenanzeigen auch die „dritte Geschlechtsoption” unter der Bezeichnung „divers” zu berücksichtigen sei. Die Forderung wird mit der seit Anfang des Jahres gültigen Änderung des Personenstandsgesetzes (PStG) begründet, das festlegt – so die Pressemeldung – „dass neben dem männlichen und weiblichen Eintrag ins Personenstandsregister auch der Eintrag ‚divers‘ möglich ist.” Diese „Möglichkeit” genügt diversen hypermoralen Sprachpolizisten offenbar, um Forderungen zu formulieren, die zwar geeignet sind, die eigene Wichtigkeit herauszustellen, die aber im richtigen Leben einfach nur albern sind. Zur Freude der Gesetzestexter hat man es in Deutschland verinnerlicht, über jedes hingehaltene Stöckchen zu springen, so dass die Masse der Betroffenen fortan brav den Begriff „divers” eintippen wird, obwohl der Gesetzestext eigentlich keine zwingende Aussage zur Gestaltung von Stellenanzeigen vorgibt 3*). Übrigens, wenn es nach neuer Sprachregelung der Gender-Gerechten geht, müsste es korrekt heißen: „Sprachpolizist*innen”, „SprachpolizistInnen” oder „Sprachpolizist_innen”. Der Gemischtwarenladen ist eröffnet. Und da das Gendersternchen, das Binnen-I und der Unterstrich schwer über die Lippen kommen will, sollte zwischen „Sprachpolizist..” und „..innen” ein kurzes Innehalten erfolgen. Diesen Tipp gibt jedenfalls die Stadt Hannover im Beschluss für eine neue Sprachregelung. In Zukunft sollen in der Hannoverschen Verwaltung geschlechterneutrale Begriffe verwendet werden. Statt „Mitarbeiter” oder „Mitarbeiterin” sollen zukünftig die „Mitarbeitenden” angesprochen werden. Eigentlich ein hoffnungsvoller Moment, wenn aus den „Genossinnen” und „Genossen” im Hannoverschen Rathaus die „Genießenden” oder sogar die „Genossenen” würden.

Das Gendern stößt endgültig an Grenzen, wenn es beispielsweise darum geht, „Vaterland” in „Mutterland” und „Mutterboden” in „Vaterboden” zu ändern oder Kulturgut (Lieder und Texte) gendergerecht verformt wird.

Nach der „Rechtschreibreform”, von manchem gerne „Schlechtschreibreform” genannt, weil nach dem verordneten Eingriff nahezu alles erlaubt ist, was gefällt, gibt es damit einen weiteren Anlauf für eine geregelte Regellosigkeit der Schriftsprache. Alle Versuche, Sprache per Gesetz oder Verordnung von oben herab oder aus politischem Opportunismus heraus zu ändern, laufen einer natürlichen und sich harmonisch entwickelnden Schriftsprache zuwider und haben Ratlosigkeit, Frustrationen und das Gefühl obrigkeitsstaatlicher Gängelung zur Folge. Sprache entwickelt sich; sie kann nicht verordnet werden. Worte kommen hinzu, andere verlieren an Bedeutung. Gut gemeint reicht nicht! Bei Begriffen wie „Benutzer” oder „Arbeitgeber” steht eben nicht, wie von Sprachpolizistinnen unterstellt wird, die Männlichkeit im Vordergrund, sondern der gewachsene Begriff. Jedermann weiß, dass es auch weibliche Arbeitgeber gibt. Und wer in seiner Ansprache von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen oder ausschließlich von Arbeitgeberinnen sprechen oder schreiben möchte, dem soll das unbenommen sein, selbst wenn der Sprachfluss darunter leidet.

Und spätestens jetzt ist der Moment gekommen, an dem es auch festzustellen gilt, dass die Ungleichbehandlung der Geschlechter und die Missachtung oder Denunziation der sexuellen Orientierung der Menschen nicht hinnehmbar sind. Unter Hintanstellung sprachpolizeilicher Regelungen wäre so beispielsweise an eine gesetzlich vorgeschriebene und überwachte Lohngleichheit für gleiche Arbeit zu denken. Oder an die Witwenrenten, die Frauenarmut begünstigen. Ein weites Feld, an dem sich Gender-Aktivisten aller Geschlechterklassen abarbeiten könnten, ohne zwangsweise das generische Maskulinum 2*) in Frage zu stellen.
Der Eifer der Antidiskriminierungsstelle legt den Gedanken an eine auf dem Altar der Gender-Gerechtigkeit entzündete Nebelkerze nahe.

Und noch ein Wort zu der Sprachposse aus der Antidiskriminierungsstelle, die aus der Änderung des Personenstandsgesetzes folgert, „dass lediglich eine männliche und weibliche Geschlechtsoption gegen das Persönlichkeitsrecht verstoße” und daraus folgert, dass Stellenanzeigen zukünftig nicht nur mit dem Anhang „männlich” und „weiblich”, sondern zusätzlich mit „divers” zu kennzeichnen seien! So solle schablonenhaft hinter Stellenanzeigen zukünftig „(m/w/d)” stehen. Warum kommt (noch) niemand auf die Idee, zur Vermeidung weiterer Diskriminierungen die unterschiedlichen Haut- und Haarfarben von den sich Bewerbenden in den Zusatz aufzunehmen? Bleibt abzuwarten, ob und wie die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle S-H ihre Drohung „Wir werden die Entwicklung zu diesem Thema in der nächsten Zeit genauer beobachten und gegebenenfalls tätig werden”, umsetzen wird.

Die Vermutung steht im Raum, dass sich jeder Arbeitgeber – ungeachtet des sprachpolizeilichen Ideenreichtums – wie bisher seine Arbeitnehmerin nach seiner inneren Überzeugung und individuellen Vorstellungen und betrieblichen Erfordernissen passgenau aussuchen wird und sämtliche Zusätze bei allem berechtigten Anspruch auf Gender-Gerechtigkeit das bleiben, was sie sind: Eine sprachpolizeiliche Farce. Sprachliche Gleichbehandlung bewirkt noch lange nicht die so wichtige gesellschaftliche Gleichstellung aller Bürger, aber sie sind sehr gut dazu angetan, genau von den wirklichen Problemen unserer Gesellschaft abzulenken.

Dr. Michael Loewener, Wedemark

 

Aus: http://www.med-dent-magazin.de

—–

0*) http://www.landtag.ltsh.de/presseticker/2019-01-16-15-18-16-1fb4/?qu=antidiskriminierungsstelle

1*) https://www.gesetze-im-internet.de/agg/BJNR189710006.html

2*) https://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum
Von einem generischen Maskulinum spricht man in der Linguistik, wenn Bezeichnungen männlicher Referenten benutzt werden, um eine Allgemeinheit zu bezeichnen oder gemischtgeschlechtliche Gruppen oder Referenten, deren Geschlecht (Sexus) unbekannt oder gleichgültig ist.

3*) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw41-de-geburtenregister/570762
Dort heißt es u. a.: … Der Gesetzentwurf soll daher „die vom Bundesverfassungsgericht für das Personenstandsrecht geforderte Möglichkeit für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung” schaffen, einen anderen positiven Geschlechtseintrag zu wählen, Die Wahl des Begriffs „divers” entspricht laut Bundesregierung “dem Wunsch der Betroffenen, der in der Länder- und Verbändebeteiligung zum Ausdruck gekommen ist”.

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/gesetztestexte/gesetztesentwuerfe/entwurf-aenderung-personenstandsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1
In § 22 Absatz 3 PStG wird die Möglichkeit eingeräumt, bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen neben den Angaben „weiblich” und „männlich” oder der „Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe”, auch die Bezeichnung „divers” zu wählen, wenn eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist.

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