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Bankraub vs. Bankraub

3. September 2018 17:55

Obwohl der Begriff „Bankraub“ zunächst an den Einsatz von Waffen und schnellen Autos à la „Rififi“ von 1955 denken lässt, sind wir seit 2008 Zeugen einer neuen Variante des Bankraubes, bei der Banken im Gegensatz zum sonst üblichen Verfahren kein Geld verlieren…

Es liegt im Auge des Betrachters der Ereignisse, ob er sogar zu der Überzeugung gelangt, dass es sich nicht um eine „Beraubung“ der Banken, sondern um eine “Beraubung” durch Banken handelt, deren Auswirkungen wir alle gegenwärtig und ganz sicher noch für einen längeren Zeitraum erleben oder auch ertragen werden. Wer zu Depressionen neigt oder an das Gute in der Politik glaubt, sollte die Lektüre an dieser Stelle abbrechen.

Denn spätestens jetzt wird deutlich, dass, wenn man es vom Ende her betrachtet, der Kapital- und Werteverlust im Fokus steht, der letztlich der Einrichtung höchst komplizierter, teilweise geheimer und kaum kontrollierbarer Rettungsstrukturen der EU zur Staaten-, Banken- und Eurorettung geschuldet ist. Hier seien nur der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM), der Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) erwähnt. Alle Hilfsprogramme für Griechenland zusammen haben einen Umfang von 278 Milliarden Euro erreicht. Damit nicht genug; denn der derzeitige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, der vor Jahren bei der Großbank Goldman Sachs als Vizepräsident für das europäische Geschäft zuständig war, betreibt durch seine andauernde Niedrigzinspolitik auch aktive Finanzpolitik zum erkennbaren Vorteil von Banken. Aktuell kauft die EZB immer noch pro Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von 30 Milliarden Euro. Seit Beginn des Programms im März 2015 hat sie somit Wertpapiere von Banken und Staatsanleihen im Gesamtwert von rund 2,4 Billionen Euro aufgekauft. Ab Oktober soll das Volumen auf 15 Milliarden Euro monatlich abgesenkt werden und zum Jahresende auslaufen.

Negativzinsen belasten die Sozialkassen und Altersversorgung

Alle diejenigen, die bares Kapital angespart, und insbesondere diejenigen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Wiederanlage und eine auskömmliche Rendite angewiesen sind, erleiden gleichzeitig herbe und zunehmend existenzbedrohende Verluste. Sie sind die eindeutigen Verlierer dieser „Staats- und Bankenrettung“. Und es sind nicht wenige, die zusätzlich durch die von Draghi induzierten inflationären Tendenzen zur Ader gelassen werden. Privatsparer ebenso wie Versorgungswerke und Lebensversicherer. Den bisherigen und dreisten Höhepunkt stellen Negativzinsen dar, die für große Barbestände an Banken zu entrichten sind. Geradezu pervers ist es, wenn Krankenversicherungen und Rentenversicherungen für die angesparten Gelder ihrer Versicherten durch Strafzinsen belastet werden, so dass das angesparte bzw. hinterlegte Vermögen abnimmt!

So soll beispielsweise der zentrale Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung im vergangenen Jahr bei seinen Einlagen einen Zinsverlust von 4,5 Millionen Euro erlitten haben. Ein Skandal! Und spätestens hier gewinnt der Begriff „Bankraub“ eine ganz neue Bedeutung.

Profiteur niedriger Zinsen ist nicht zuletzt der Bund, der seine Schulden leichter abtragen kann. Und die Bundesbank soll mit bis zu 2 Mrd. Euro an Zinsgewinnen profitiert haben. Das vorgegebene Ziel, Griechenland zu „retten“, wird voraussichtlich nicht erreicht werden, da sich die Staatsverschuldung in Höhe von rund 179 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) trotz eines Schuldenschnitts 2012 praktisch nicht verringert hat. Damit kann sich der Eindruck verfestigen, dass die Griechenlandkrise nur als Vehikel dient, obwohl man wissen müsste, dass der Schuldenstand auch nach endloser Dilatation und „Konkursverschleppung“ eines fernen Tages die Abschreibung der Forderung zur Folge haben wird. Aber zu jenem Zeitpunkt werden die ehemaligen Kapitalgeber/Banken ihre fragwürdigen Kredite refinanziert haben, während die „enteigneten“ Sparer und Institutionen selbst mit ihrer Situation fertig werden müssen.

Durch die staatlichen Rettungsaktionen werden die Risiken für die Finanzbranche, die in den Bilanzen der Banken schlummerten, quasi durch die Bundesbürger refinanziert.

Von den bis Mitte 2013 nach Griechenland geflossenen Milliarden ist nur ein Viertel in den Staatshaushalt geflossen. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis brachte es auf den Punkt, wonach die die „Troika-Hilfen“ kein Akt der Solidarität europäischer Bürger und Steuerzahler mit dem griechischen Volk gewesen seien, sondern ein Akt der Selbsthilfe des europäischen Finanzsektors zu Lasten der EU-Bürger.

„Too big to fail“: Streusand für Steuerbürgers Augen

Erinnern wir uns: Es begann mit der „Bankenrettung“, bei der Großbanken vor dem Verlust ihres Risikokapitals und unter dem schwammigen Vorwand „too big to fail“ bewahrt werden mussten – besser gesagt: gerettet werden sollten. Offenbar wurde der Begriff „too big to fail“ als gewaltige Nebelkerze benutzt, um der Politik Beine zu machen. Dass keine Bank „too big to fail“ ist, haben die Amerikaner bewiesen, indem die Investmentbank „Lehman Brothers“ 2008 nahezu folgenlos in der Insolvenz versank. Dem Land und der Bankenwelt hat der Zusammenbruch bekanntermaßen nicht geschadet. Wer zockt, kann sich in einem funktionierenden kapitalistischen System auch bis zum Totalverlust verzocken.

In Deutschland erwies sich die Nähe zwischen Politik und Bankenwirtschaft nicht als Nachteil. Hatte doch Deutschbanker Josef Ackermann seinen 60. Geburtstag sogar im Bundeskanzleramt auf Staatskosten feiern dürfen.

Dermaßen „gut“ und „fachmännisch“ beraten, dürfte es der Politik nicht schwergefallen sein, ihrerseits grünes Licht und „über Nacht“ Millarden für die Rettung „notleidender“ Staaten – sprich Banken — zur Verfügung zu stellen. Derzeit haftet die Bundesrepublik mit Blick auf die Griechenlandkrise mit 60 bis 80 Milliarden Euro. Und – machen wir uns nichts vor – das Geld ist weg, was alleine durch die Streckung der Tilgung auf mehrere Jahrzehnte deutlich wird – der Steuerzahler wird es richten.

Griechenlandrettung oder Bankenrettung?

Es klingt nobel, was dem Bürger Simplex seinerzeit als Rettung Griechenlands und seiner Bürger verkauft wurde. Natürlich wurden durch die Geldschwemme und diverse Übereinkünfte mit wohlklingenden Namen nicht Herr Sokrates oder Frau Papalopulus vor Ungemach bewahrt, sondern die Geldgeber – sprich Banken –, für die absehbar war, dass die Renditeerwartungen gegenüber dem bekanntermaßen über seine Verhältnisse lebenden Gläubiger Griechenland nicht mehr zu erfüllen waren. Schlimmer noch: Es drohte der Kapitalverlust. Herr Sokrates sieht übrigens inzwischen seiner sechsten Rentenkürzung entgegen, und Frau Papalopulus hat ihren Job verloren!
Eigentlich ist es ein Naturgesetz des kapitalistischen Systems, dass einerseits mit dem eingegangenen Risiko die Rendite steigt und andererseits die Möglichkeit des Totalverlustes droht. Dieses bewährte System wurde von der Politik bei entsprechender Beratung dekapitiert, indem Banken, die in guten Jahren den Rahm abschöpfen konnten, am Ende für „too big to fail“ erklärt und durch Steuergelder über „die Rettung Griechenlands“ befriedigt wurden: Streusand für Bürgers Augen; denn die „Hilfsgelder“ haben nur zu einem Bruchteil griechische Bodenberührung erlebt! Und der ESM kann Banken unmittelbar rekapitalisieren bzw. subventionieren.

Seinerzeit war auch der ehemalige Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble einer der ersten, die den Griechen den ebenso entbehrlichen wie schulmeisterlichen Rat gaben, einfach fleißiger und sparsamer zu sein. Natürlich ist Schäuble ein ausgewiesener Finanzfachmann, hatte er doch 1994 vom Waffenlobbyisten Schreiber eine Bar-Spende über 100.000 DM für die CDU entgegengenommen.

Alles muss raus!

Der Gedanke an einen Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe liegt nahe, wenn man weiß, dass der generöse Retter EU, und hier insbesondere die deutsche Wirtschaft, die Filetstücke aus der griechischen Konkursmasse im Rahmen von Privatisierung von Staatsbesitz erworben hat. Beispielsweise sind 14 Regionalflughäfen an den deutschen Flughafenbetreiber Fraport zu Schnäppchenpreisen veräußert worden. Und griechische Häfen werden von Chinesen bewirtschaftet. Käufer wurden unter anderem für Inseln, Ländereien, Stadien und Hotels gesucht.

Dass ein Staat, der sein Tafelsilber verscherbeln musste und damit auch seine Einnahmequellen abgegeben hat, noch weniger auf die eigenen Füße kommt, erschließt sich von selbst, interessiert aber die Finanztransakteure weniger.

Derzeit wird die Not der Banken immer noch mit der Geldschwemme in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Monat durch die EZB gelindert. Und offiziell soll durch die Beförderung inflationärer Tendenzen eine angeblich drohende Deflation bekämpft werden. Andererseits ist von Insidern zu hören, dass Großbanken bei dieser Gelegenheit ihre restlichen Schrottpapiere neu bündeln, mit neuen bunten Schleifen versehen und sie gegen Buchgeld an die EZB verhökern. Dass der Wert dieser „Produkte“ zuweilen auf die bunte Schleife beschränkt bleibt, versteht sich von selbst. Offiziell soll dieses druckfeuchte Geld in den Wirtschaftskreislauf fließen, um die Konjunktur zu beleben.

Allerdings geben Banken diese Geldschwemme, die sie fast kostenlos von der EZB erhalten, nicht zu den erwarteten günstigen Konditionen weiter. Zu erwarten wäre eine im angemessenen Verhältnis zur Minimalverzinsung der Kundeneinlagen stehende Verzinsung. Für geduldete Überziehungen der gebeutelten Kundschaft werden unverändert 11% berechnet. Einmal mehr wird deutlich, wer Nutznießer dieser Geldpolitik ist.

Unter dem Strich also ein gewaltiger Coup, den die EZB unter Führung des ehemaligen Goldman-Sachs-Bankers Draghi gelandet hat. Man darf gespannt sein, ob und wann die Politik die Fichte entdeckt, hinter die sie gelockt wurde.

Dr. Michael Loewener
Wedemark

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