Pressemitteilung des GKV-Spitzenverbandes : Gesundheitsausgaben für Bürgergeldbeziehende nur zu gut einem Drittel gedeckt

Berlin, 24. Juni 2024
IGES-Gutachten zeigt: Gesundheitsausgaben für Bürgergeldbeziehende nur zu gut einem Drittel gedeckt
Es ist Aufgabe des Staates, das Existenzminimum von bedürftigen Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung zählt dazu auch die Absicherung der medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Bei den Sozialhilfebeziehenden kommen die Sozialhilfeträger, i. d. R. die Kommunen, vollständig für die Kosten der gesundheitlichen Versorgung auf. Bei der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden allerdings kommt der Bund seinen Ausgleichsverpflichtungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung nicht annähernd nach, wie ein heute in Berlin vorgelegtes Gutachten des IGES Instituts zeigt: Mit den vom Bund gezahlten Beiträgen wird nur gut ein Drittel der tatsächlichen Ausgaben für diesen Personenkreis gedeckt.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Bürgergeldbeziehende lagen 9,2 Mrd. Euro höher als die für diese Gruppe gezahlten Beiträge. Das zeigt das aktuelle Gutachten des IGES Instituts, mit dem die Deckungsquote von Einnahmen und Ausgaben der GKV für hilfebedürftige erwerbsfähige Personen im Jahr 2022 untersucht wurde.

„Durch diese systematische Unterfinanzierung gehen der gesetzlichen Krankenversicherung jedes Jahr Milliardenbeträge verloren“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Allein im Jahr 2022 haben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen den Bundeshaushalt so mit 9,2 Milliarden Euro entlastet. Und diese jährliche Unterfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden dürfte in den Jahren 2023 und 2024 aufgrund der steigenden Zahl der Leistungsbeziehenden sogar noch höher liegen. Hier spart der Bund zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit einer ausreichenden Finanzierung der von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbeziehenden hätten wir zu Jahresbeginn über Beitragssatzsenkungen sprechen können, statt Beitragssatzerhöhungen umsetzen zu müssen.“

„Insgesamt sind im Jahr 2022 lediglich 39 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II, inzwischen Bürgergeld, durch die für diesen Personenkreis gezahlten Beiträge gedeckt gewesen“, so Dr. Richard Ochmann, Projektleiter Gesundheitspolitik am IGES Institut. „Eine kostendeckende Pauschale hätte fast dreimal höher ausfallen müssen – statt der im Jahr 2022 tatsächlich vom Bund gezahlten Monatspauschale von 108,48 Euro hätte diese dann 311,45 Euro betragen.“

Zum Vergleich: Für privat krankenversicherte Bürgergeldbeziehende zahlt der Staat aus Steuermitteln einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von bis zu 421,77 Euro im Monat.

Hintergrund zum Gutachten
Das Gutachten ermittelt, wie umfassend Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II durch Steuermittel gedeckt sind. Es aktualisiert ein Gutachten aus dem Jahr 2017 und entstand im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes. Basis sind Auswertungen von Daten der Bundesagentur für Arbeit, des Bundesministeriums für Gesundheit sowie der gesetzlichen Krankenkassen. Demnach ergibt sich für das Jahr 2022 eine Unterfinanzierung der Gesundheitsausgaben von ALG-II-Beziehenden in Höhe von 9,2 Milliarden Euro (2016: 9,6 Milliarden Euro). Das entspricht einer Deckungsquote von 39 Prozent. Eine kostendeckende monatliche Beitragspauschale des Bundes für diese Versichertengruppe – jetzt Bürgergeldbeziehende – hätte 311,45 Euro betragen, tatsächlich waren es im Jahr 2022 nur 108,48 Euro.

Die Studie ist auf unserer Internetseite unter www.gkv-spitzenverband.de veröffentlicht.

Florian Lanz, Claudia Widmaier, Janka Hegemeister,
Jens Ofiera

Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung wieder stärken – KZBV zum Tag der Selbstverwaltung am 18. Mai 2024

Berlin, 17. Mai 2024 – Als Teil der Selbstverwaltung kommt der zahnärztliche Berufsstand seinen Aufgaben seit jeher in bewährter Weise nach. Dazu gehört, die Versorgung präventionsorientiert auszurichten und sie gleichwertig sicherzustellen, sodass die Menschen unabhängig von Wohnort und sozialem Status Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung und Teilhabe am medizinischen Fortschritt haben. Als wesentliche Erfolge der zahnärztlichen Selbstverwaltung hat sich die Mundgesundheit der Bevölkerung in den letzten Jahren erheblich verbessert, Deutschland nimmt in diesem Bereich eine internationale Vorbildfunktion ein. Dies zeigt, dass die Selbstverwaltung ihr volles Potenzial ausschöpfen kann, wenn sie über ausreichend große Handlungs- und Gestaltungsspielräume verfügt.
„Unter der Ampel-Regierung wird aber die zahnärztliche Selbstverwaltung Schritt für Schritt beschnitten, im Gegenzug werden die Aufsichtsrechte und Entscheidungsbefugnisse des Bundes ausgeweitet. Das schwächt die Selbstverwaltung auf allen Ebenen und macht sie auch für ein Engagement des Nachwuchses wenig attraktiv“, kritisiert Martin Hengdes, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) scharf. „Um eine Selbstverwaltung zu fördern, die auch in Zukunft ihren zentralen Beitrag im Gesundheitswesen leisten kann, müssen ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume erhalten und ausgebaut werden. Dafür brauchen wir ein klares Bekenntnis der Politik zur Selbstverwaltung“, fordert Hendges.
Darüber hinaus bemängelt die KZBV eine zunehmende Respektlosigkeit in den Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, in denen er Organisationen der Selbstverwaltung, die ihren per Gesetz festgelegten Aufgaben nachgehen, als „Lobbygruppen“ diffamiert.

Hintergrund
Neben dem Solidaritäts- und Sachleistungsgebot als tragende Strukturprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Selbstverwaltung die wesentliche Grundlage für das Gesundheitssystem in Deutschland. Der Staat setzt den allgemeinen gesetzlichen Rahmen und weist Aufgaben und Verantwortungsbereiche den Trägern der Selbstverwaltung, darunter der KZBV für den vertragszahnärztlichen Bereich, zu. Diese erfüllen damit alle Steuerungsaufgaben in Eigenverantwortung und unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht des Staates. Mit ihrer Versorgungsnähe und Fachkompetenz gewährleisten sie die Stabilität und Sicherung des Gesundheitswesens; zugleich wird der Staat von dieser Aufgabe entlastet.
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Behrenstraße 42, 10117 Berlin

Vanessa Hönighaus
Leiterin Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Christian Albaum
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Chance für reale Verbesserung der Patientenversorgung jetzt nutzen! KZBV zur Verbändeanhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz

Berlin, 6. Mai 2024 – Anlässlich der heutigen Verbändeanhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) findet der Vorsitzende des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Martin Hendges, erneut klare Worte:
„Das Gesundheitsversorgungstärkungsgesetz ist vielleicht die letzte Chance für die Ampelkoalition, das Ruder noch einmal in Richtung einer präventionsorientierten und hochwertigen Patientenversorgung herumzureißen. Der bisherige Gesetzentwurf geht jedoch an den  wesentlichen Problemen im zahnärztlichen Versorgungsbereich völlig vorbei.
Daher muss unbedingt gesetzlich geregelt werden, dass die Leistungen zur Behandlung von Parodontitis sofort extrabudgetär vergütet werden, um wenigstens die schlimmsten Folgen für die Patientinnen und Patienten abzufedern und hohe Folgekosten zu vermeiden. Denn Parodontitis nimmt Einfluss auf schwere Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatische Erkrankungen und steht unter anderem unmittelbar in Wechselwirkung zu Diabetes mellitus.
Zudem sieht das GVSG trotz mehrfacher Ankündigung von Minister Lauterbach bislang keine Regulierung von versorgungsfremden Investoren-MVZ vor. Auch hiervon gehen erhebliche Gefahren für die Patientenversorgung aus. Um dem entgegenzutreten, brauchen wir endlich zeitnah eine gesetzlich verankerte räumliche und vor allem fachliche Gründungsbeschränkung von iMVZ.
Das GVSG lässt weiterhin Regelungen vermissen, um die dringend notwendige Entbürokratisierung im Gesundheitswesen wirksam anzugehen. Nur so haben die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen wieder die angemessene Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, die Patientenbehandlung.
Unsere Vorschläge für eine patientenorientierte Weiterentwicklung des GVSG liegen auf dem Tisch. Es ist höchste Zeit, dass die Politik auf die Expertise der Selbstverwaltung setzt und uns in die Fortentwicklung des Gesundheitswesens einbezieht.“
Die vollständige Stellungnahme zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz kann unter www.kzbv.de abgerufen werden.

Vanessa Hönighaus
Leiterin Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Christian Albaum
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Fluoridlack ab heute Kassenleistung für alle Kinder unter 6 Jahren – Gesunde Milchzähne – gesunde bleibende Zähne – Fluoride schützen vor Karies

Ab heute, dem 24.04.2024, zahlen die gesetzlichen Krankenkassen das Auftragen von Fluoridlack für Kinder bis zum sechsten Geburtstag. Fluoride härten den Zahnschmelz und schützen so vor Karies. Der Anspruch auf diese Leistung besteht nun für alle Kinder unabhängig vom individuellen Kariesrisiko. Das ist neu.

„Eltern sollten diese Leistung für ihr Kind bei ihrer Zahnärztin oder ihrem Zahnarzt zusätzlich zu den regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen“, rät Dr. Romy Ermler, Vorstandsvorsitzende der Initiative proDente e.V. und Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). „Zwar hat sich die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren stark verbessert, jedoch ist Karies bei Milchzähnen nach wie vor ein Problem.“

Gesunde Milchzähne – gesunde bleibende Zähne
Etwa die Hälfte der sechs- bis siebenjährigen Kinder hat bereits Zähne mit Karies. Das kann die weitere Zahnentwicklung erheblich beeinträchtigen. Denn gesunde Milchzähne sind nicht nur Platzhalter für die bleibenden Zähne, sondern auch wichtig für die Sprachentwicklung und eine gesunde Ernährung. Zudem haben Kinder mit kariösen Milchzähnen häufiger Karies an den bleibenden Zähnen.

Fluoride schützen vor Karies
Sobald der erste Milchzahn in die Mundhöhle durchgebrochen ist, sollten Eltern mit ihrem Kind einen Vorsorgetermin bei ihrer Zahnärztin oder ihrem Zahnarzt wahrnehmen. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen für Kinder zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem vollendeten sechsten Lebensjahr sechs zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen vor. Zusätzlich ist das Auftragen von Fluoridlack unabhängig vom Kariesrisiko ab dem 24.04.2024 Kassenleistung für alle Kinder bis zum sechsten Geburtstag. Fluoride fördern das Einlagern von Mineralien aus dem Speichel in den Zahnschmelz und härten ihn. Sie sind somit ein wirksamer Schutz vor Karies.

Unsere vollständige Pressemeldung inklusive Bildmaterial steht Ihnen unter https://www.prodente.de/presse/pressemitteilung/neue-kassenleistung-fluoridlack-gegen-karies-fuer-alle-kinder-bis-zum-6-lebensjahr.html zur Verfügung.

proDente – Wer wir sind
proDente informiert über gesunde und schöne Zähne. Die Inhalte werden von Fachleuten wissenschaftlich geprüft.
proDente arbeitet für Journalisten, bietet Broschüren an und postet online. Fotos und Filme ergänzen die Informationen.
Zahnärzte, Zahntechniker und Hersteller engagieren sich seit 1998 in der Initiative proDente e. V.

Ricarda Wille

Initiative proDente e.V.

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz wird seinem Namen nicht gerecht – KZBV warnt vor erheblichen Gefahren für die Patientenversorgung

Berlin, 16. April 2024 – Das Ziel, die Versorgung vor Ort und den Zugang zu Präventionsleistungen zu verbessern, sieht die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) klar verfehlt.
Trotz mehrfacher Ankündigung von Minister Karl Lauterbach enthält der Entwurf keine Regulierung Medizinischer Versorgungszentren, die von versorgungsfremden Investoren (sog. iMVZ) betrieben werden. Aktuelle versorgungspolitische Zahlen der KZBV belegen, dass iMVZ weiterhin keinen nennenswerten Beitrag zur Versorgung in strukturschwachen, ländlichen Gebieten leisten. So siedeln sich 79 Prozent der iMVZ im städtischen Bereich an. Hinzu kommt, dass mittlerweile fast jedes dritte MVZ in der Hand eines Investors ist. Die mit dieser Entwicklung einhergehenden erheblichen Gefahren für die Patientenversorgung werden mit diesem Gesetzentwurf nicht wirkungsvoll eingedämmt. Hierfür wäre eine räumliche und vor allem fachliche Gründungsbeschränkung von iMVZ absolut unerlässlich.
Zudem werden nach wie vor keine Maßnahmen ergriffen, der Versorgung die finanziellen Mittel für dringend erforderliche zahnmedizinische Präventionsleistungen bereitzustellen. Die Volkskrankheit Parodontitis, an der rund 30 Mio. Menschen leiden, nachhaltig zu bekämpfen, wird somit erheblich erschwert. Die mit einer unbehandelten Parodontitis einhergehenden immens hohen Folgekosten für das Gesundheitssystem wirken zudem einer Stabilisierung der GKV-Ausgaben entgegen.
Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV erklärt: „Mit dem Referentenentwurf des GVSG bleiben dringende versorgungspolitische Probleme weiterhin ungelöst – mit erheblichen Gefahren für die Patientenversorgung.“

Vanessa Hönighaus
Leiterin Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Christian Albaum
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Behrenstraße 42, 10117 Berlin

Gesundheitsorganisationen kritisieren Ampel-Politik – Gemeinsame Pressemitteilung von DKG, KBV, KZBV und ABDA

Berlin, 11. April 2024 – Die vier tragenden Säulen der Gesundheitsversorgung in Deutschland
haben am heutigen Donnerstag die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach scharf kritisiert. In der Bundespressekonferenz stellten die Spitzen der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
(KZBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der ABDA – Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände ihre Kritikpunkte an der Gesundheitspolitik dar. Alle vier eint
die Sorge darum, ob die Menschen in Deutschland auch in Zukunft noch flächendeckend und
wohnortnah Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken finden werden. Ohne
unmittelbare politische Weichenstellungen seien dramatische Versorgungslücken zu
erwarten.
Scharfe Kritik bei allen Organisationen ruft die immense Bürokratielast hervor, die unter der
Ampel-Regierung nochmals zugelegt hat. Sie fordern die Politik auf, die Versorgung spürbar
zu entbürokratisieren. So sind bspw. zahlreiche Dokumentationsvorschriften überflüssig.
Letztendlich führt die überbordende Bürokratie dazu, dass immer weniger Zeit für die
Patientenversorgung bleibt.
Die Freiberuflichkeit als Kernelement der ärztlichen, zahnärztlichen und apothekerlichen
Versorgung und die Trägervielfalt in der Krankenhauslandschaft sind aus Sicht der KBV, KZBV,
DKG und ABDA mittlerweile stark gefährdet. Anstatt die bestehenden Strukturen zu stärken
und zu stabilisieren, will der Minister in überflüssige neue Strukturen investieren wie
beispielsweise Gesundheitskioske. Notwendige Mittel für die Versorgung fehlen damit.
Auf scharfe Ablehnung bei den Organisationen trifft auch die Art und Weise, wie Karl
Lauterbach Politik betreibt und diese kommuniziert. Alle vier Säulen kritisieren neben
inhaltlichen Schwachpunkten bei den Gesetzentwürfen den mangelnden Respekt, den der
Minister der Selbstverwaltung und damit letztendlich auch den Patienten, für die sie sich Tag
für Tag einsetzt, entgegenbringt. Immer wieder bezeichnet er Organisationen mit gesetzlich
festgelegten Aufgaben als „Lobbygruppen“ und verweigert Gespräche mit ihnen. Die
Gesundheitsinstitutionen kritisieren zudem, dass der Minister bislang vor allem durch
größtenteils vage, öffentliche Ankündigungen aufgefallen ist. Konkrete politische
Umsetzungen folgten dann entweder gar nicht, halbherzig oder extrem verspätet. Mit
Nachdruck kündigte Lauterbach zu Beginn seiner Amtszeit beispielsweise an, dass es mit ihm
keine Leistungskürzungen geben werde. De facto führen seine politischen Entscheidungen
aber dazu, dass die Patienten immer weniger Leistungen an weniger Standorten erhalten
werden bzw. bereits erhalten.

Die KBV, KZBV, DKG und ABDA fordern Minister Lauterbach und die Ampel-Koalition dazu auf,
die Versorgung der Patienten wieder in den Fokus zu nehmen. Dazu sind nachhaltige
Reformen von Nöten, die die bestehenden Versorgungsstrukturen stärken. Die
Organisationen verweisen dazu auf die konstruktiven Gestaltungsvorschläge, die dem
Minister schon seit Monaten bekannt sind. Die Stimmung der Leistungserbringer ist auf einem
absoluten Tiefpunkt; sie stoßen an ihre Grenzen und können die Versorgung, wie die Patienten
sie bisher gewohnt waren, nicht mehr länger leisten.
Bevor die kommenden Gesetzentwürfe ins parlamentarische Verfahren gehen, muss Minister
Lauterbach daher endlich in den Dialog mit denjenigen treten, die die Versorgung täglich
gestalten! Die Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch und die Reformbereitschaft ist
gegeben. Bleibt jetzt jedoch der erforderliche Kurswechsel aus, werden die vier
Organisationen in den kommenden Wochen die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen und
vor allem die breite Öffentlichkeit auf unterschiedlichen Kanälen verstärkt über die
verheerenden Folgen dieser Politik für die Versorgung von rund 84 Millionen Patienten in
Deutschland aufklären.
Für die Krankenhäuser erklärte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG: „Die große
Krankenhausstrukturreform wurde von Seiten des Ministeriums so schlecht gemanagt, dass
man praktisch von einem Scheitern sprechen muss. Stand heute liegt noch nicht einmal ein
abgestimmter Referentenentwurf für ein mittlerweile nur noch nicht zustimmungspflichtiges
Gesetz vor. Der bekannt gewordene „Nichtentwurf“ beschreibt über 15 Seiten den Aufwuchs
an Bürokratie, ohne dass die zentralen Ziele des Gesetzes auch nur ansatzweise erreicht
werden. Eine Vorhaltefinanzierung, die nachweislich ihre Wirkung verfehlt, eine
Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen, die sich weit vom NRW-Modell entfernt hat und
mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt und ein Transformationsfonds, den im Wesentlichen
die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen finanzieren. Insgesamt eine desaströse
Bilanz nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit.“
Der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, erklärte: „Viel zu kompliziert, nicht
zu Ende gedacht und mit kaum absehbaren gewaltigen Folgen. So lassen sich aktuell fast alle
Gesetzentwürfe aus dem Hause Lauterbach beschreiben. Mal abgesehen davon kommt noch
die Unsicherheit hinzu, in welchem offiziellen oder inoffiziellen Stadium sich bekannt
gewordene Referentenentwürfe denn befinden. Gemeinsam ist den Entwürfen, dass sie eine
standardisierte und zentrierte Versorgung favorisieren – und zwar mit Standards, deren
Sinnhaftigkeit sich aus Versorgungssicht nicht erschließt. Die ärztlichen und
psychotherapeutischen Praxen werden von selbstständigen Freiberuflern geführt, die im
Rahmen ihrer Möglichkeiten an ihrem Standort und mit ihrem Personal individuell passend
das Bestmögliche machen. Das passt in keine bundesweite Schablone – das wird entweder
nicht verstanden oder nicht gewollt. Stattdessen werden völlig praxisferne Vorgaben
formuliert, die bis ins Detail ins Praxismanagement gehen und den Praxen immer mehr
Leistungen abverlangen. Dabei wäre es einfach, durch wenige schnell umsetzbare Regelungen
wie eine pragmatische Entbudgetierung der Hausärzte oder eine Abschaffung der TI-
Sanktionen erste richtige Impulse zu setzen.“

Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, führte aus: „Eine flächendeckende
zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, ist unter den desaströsen politischen
Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten. Von dieser versorgungsfeindlichen
Gesundheitspolitik besonders betroffen ist die neue, präventionsorientierte
Parodontitistherapie. Parodontitis nimmt unter anderem Einfluss auf schwere
Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und rheumatische
Erkrankungen. Durch unbehandelte Parodontitis entstehen zudem hohe Folgekosten für
unser Gesundheitssystem, die einer Stabilisierung der GKV-Ausgaben entgegenwirken. Wir
fordern daher die Politik auf, die 2022 eingeführte Budgetierung sofort für alle Zeit zu
beenden!“ Hendges mahnte zudem an, dass noch immer keine gesetzliche Regulierung für
Medizinische Versorgungszentren, die von versorgungsfremden Investoren (sog. iMVZ)
betrieben werden, geschaffen wurde. Der Anteil von iMVZ an allen zahnärztlichen MVZ liegt
mittlerweile bei rund 30 Prozent. Das sind 468 iMVZ – Tendenz weiter steigend. Mit ihrem
Fokus auf schnelle Rendite stellen iMVZ eine erhebliche Gefahr für die Patientenversorgung
dar. Um die fortschreitende Vergewerblichung des Gesundheitswesens endlich wirksam zu
stoppen, muss ein räumlicher und auch fachlicher Bezug eines Trägerkrankenhauses zur
Voraussetzung der Gründungsbefugnis eines Krankenhauses von iMVZ gemacht werden.
Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände: „Die Apothekenzahl befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Dadurch
müssen immer mehr Patientinnen und Patienten weitere Wege zu ihrer Apotheke
zurücklegen. Allein im vergangenen Jahr sind rund 500 Apotheken weggefallen – das
entspricht der Apothekenzahl in Thüringen! Auch in diesem Jahr führen die politisch
verursachten Probleme zu massiven Belastungen. Die Apothekenteams lösen die unzähligen
Lieferengpässe, sie helfen den Menschen beim holprigen Start des E-Rezepts. Das alles
übernehmen die Apotheken trotz zehrenden Fachkräftemangels. Das Apothekenhonorar
wurde seit elf Jahren nicht angepasst, zuletzt hat es die Ampel-Koalition sogar gekürzt. Herr
Lauterbach weiß von diesen bedrohlichen Entwicklungen. Doch statt die wohnortnahe
Versorgung zu stabilisieren, kündigt er Scheinreformen an. Seine aktuellen Ideen bedeuten
für die Bevölkerung weitgehende Leistungskürzungen. So würden durch eine Honorar-
Umgestaltung noch mehr Menschen ihre Apotheke verlieren. Und in den geplanten
Scheinapotheken würde die Expertise der Apothekerinnen und Apotheker fehlen. Damit
könnten mehrere benötigte Leistungen nicht mehr angeboten werden. Sich ernsthaft für eine
solide Versorgung einzusetzen, sieht anders aus.“
Weitere Informationen zu den Forderungen der vier tragenden Organisationen im
Gesundheitswesen:
DKG KHVVG-Referentenentwurf | Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (dkgev.de)
KBV https://www.kbv.de/media/sp/2023-08-18_Krisensitzung_Forderungskatalog_KBV-
Begleitpapier.pdf
KZBV www.kzbv.de/par-evaluation-langfassung
ABDA https://www.abda.de/themen/politische-forderungen/

Joachim Odenbach,
Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V.

Dr. Roland Stahl,
Kassenärztliche Bundesvereinigung

Vanessa Hönighaus,
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

Benjamin Rohrer,
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.