by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Einordnung und Konsequenzen der Omikronwelle
Datum der Veröffentlichung: 19.12.2021
Aktuelle Ausgangslage in Deutschland
In der vierten und bislang stärksten Infektionswelle nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie
arbeitet das deutsche Gesundheitssystem aktuell unter sehr hoher Last. Neben einer konstant
hohen Zahl von COVID-19 Patient:innen mit starker Belastung, insbesondere der
Intensivbereiche, ist die Versorgung der nicht-COVID Erkrankten bereits in Teilen
eingeschränkt. Schwerwiegende Verluste im Personalbereich der Krankenhäuser sind
eingetreten und werden weiter zunehmen.
Die aktuell sinkenden Inzidenzen werden von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik als
Zeichen der Entspannung wahrgenommen. Die zu erwartende Meldeverzögerung über die
kommenden Feiertage wird diesen Eindruck weiter verstärken. Aus den in der Folge
aufgeführten Gründen ist dieser Eindruck nicht gerechtfertigt.
Aktueller Kenntnisstand zu Omikron/ B1.1.529
Die kürzlich identifizierte Omikron-Variante bringt eine neue Dimension in das
Pandemiegeschehen. Omikron zeichnet sich durch eine stark gesteigerte Übertragbarkeit und
ein Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes aus. Dies bedeutet, dass die neue
Variante mehrere ungünstige Eigenschaften vereint. Sie infiziert in kürzester Zeit deutlich
mehr Menschen und bezieht auch Genesene und Geimpfte stärker in das
Infektionsgeschehen ein. Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen: In
Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Großbritannien wird bereits eine nie
dagewesenen Verbreitungsgeschwindigkeit mit Omikron-Verdopplungszeiten von etwa 2-3
Tagen beobachtet. Mehrere unserer betroffenen Nachbarstaaten haben angesichts dieser
Dynamik umgehend teils tiefgreifende Gegenmaßnahmen zur Eindämmung eines potentiell
unkontrollierbaren Infektionsgeschehens ergriffen. Auch wenn in dieser frühen Phase der
Omikronwelle die Krankheitsschwere nicht abschließend beurteilt werden kann, steigt die
Hospitalisierung in Hotspots wie London bereits deutlich an. Es ist bisher nicht davon
auszugehen, dass im Vergleich zur Delta-Variante Menschen ohne Immunschutz einen
milderen Krankheitsverlauf aufweisen werden. Erste Studienergebnisse zeigen, dass der
Impfschutz gegen die Omikron-Variante rasch nachlässt und auch immune Personen
symptomatisch erkranken. Der Schutz vor schwerer Erkrankung bleibt wahrscheinlich
teilweise erhalten. Mehrere Studien zeigen einen deutlich verbesserten Immunschutz nach
erfolgter Boosterimpfung mit den derzeit verfügbaren mRNA Impfstoffen. In Deutschland ist
jedoch aufgrund der vergleichsweise großen Impflücke, die insbesondere bei Erwachsenen
besteht, mit einer sehr hohen Krankheitslast durch Omikron zu rechnen.
Kurz- und mittelfristige Szenarien des Infektionsgeschehens in Deutschland
Nationale und internationale Modellierungen der Infektionsdynamik und möglicher Spitzen-
Inzidenzen zeigen eine neue Qualität der Pandemie auf. Die in Deutschland angenommene
Verdopplungszeit der Omikron-Inzidenz liegt aktuell im Bereich von etwa 2-4 Tagen. Durch
die derzeitig gültigen Maßnahmen ist diese Verdoppelungszeit im Vergleich zu England zwar
etwas langsamer, aber deutlich schneller als bei allen bisherigen Varianten. Sollte sich die
Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der
Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne. Dadurch wäre das
Gesundheitssystem und die gesamte kritische Infrastruktur unseres Landes extrem belastet.
Weitere Kollateraleffekte sind insbesondere in der berufstätigen Bevölkerung zu erwarten, u.a.
durch die dann notwendige Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Menschen. Eine
massive Ausweitung der Boosterkampagne kann die Dynamik verlangsamen und damit das
Ausmaß mindern, aber nicht verhindern. Laut der mathematischen Modelle kann eine
Überlastung des Gesundheitssystems und die Einschränkung der kritischen Infrastruktur nur
zusammen mit starken Kontaktreduktionen eingedämmt werden.
Gefährdungspotential für die kritische Infrastruktur
Schnell steigende Inzidenzen bergen hohe Risiken für die kritischen Infrastruktur (KRITIS) in
Deutschland. Hierzu gehören unter anderem Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr,
Rettungsdienst, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung und die entsprechende
Logistik. Deshalb bedarf es einer umfassenden und sofortigen Vorbereitung des Schutzes der
kritischen Infrastruktur unseres Landes. Es müssen in den kommenden Tagen Vorkehrungen
für die ersten Monate des Jahres 2022 getroffen werden, und zwar auf politischer und
organisatorischer Ebene des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden. Dabei sollten
mögliche Partner wie Bundeswehr, THW oder Hilfsorganisationen frühzeitig eingebunden
werden. Aktivierungswege und Steuerungsmechanismen müssen kurzfristig verfügbar sein
sowie ausreichende Testkapazitäten und Versorgungsketten sichergestellt werden. Die
Krankenhäuser müssen eine hinreichende Vorratshaltung von Material und Medikamenten
herstellen. Eine schnelle politische Handlungsfähigkeit muss zu jedem Zeitpunkt auch
während der Feiertage gewährleistet sein.
Belastung des Gesundheitssystems durch Omikron
Aufgrund des gleichzeitigen, extremen Patientenaufkommens ist eine erhebliche Überlastung
der Krankenhäuser zu erwarten – selbst für den wenig wahrscheinlichen Fall einer deutlich
abgeschwächten Krankheitsschwere im Vergleich zur Delta-Variante. Sogar wenn sich alle
Krankenhäuser ausschließlich auf die Versorgung von Notfällen und dringlichen Eingriffen
konzentrieren, wird eine qualitativ angemessene Versorgung aller Erkrankten nicht mehr
möglich sein. Eine strategische Patientenverlegung kann aufgrund der zu erwartenden
flächendeckend hohen Belastung nicht mehr nennenswert zu einer regionalen Entlastung
beitragen.
Zeitnah notwendige Maßnahmen
Aus dem geschilderten Szenario ergibt sich Handlungsbedarf bereits für die kommenden
Tage. Wirksame bundesweit abgestimmte Gegenmaßnahmen zur Kontrolle des
Infektionsgeschehens sind vorzubereiten, insbesondere gut geplante und gut kommunizierte
Kontaktbeschränkungen. Die aktuell geltenden Maßnahmen müssen darüber hinaus noch
stringenter fortgeführt werden. Parallel sollte die Impfkampagne erheblich intensiviert werden.
Die Boosterimpfungen, wie auch die Erst- und Zweitimpfungen, müssen auch über die
kommenden Feiertage mit allen verfügbaren Mitteln fortgesetzt und weiter beschleunigt
werden. Insbesondere für Ältere und andere Personen mit bekanntem Risiko für einen
schweren COVID-19 Verlauf ist höchste Dringlichkeit geboten. Allerdings zeigen alle Modelle,
dass Boosterimpfungen alleine keine ausreichende Eindämmung der Omikronwelle bewirken,
sondern zusätzlich Kontaktbeschränkungen notwendig sind. Neben den notwendigen
politischen Entscheidungen muss die Bevölkerung intensiv zur aktiven Infektionskontrolle
aufgefordert werden. Dazu gehören die Vermeidung größerer Zusammenkünfte, das
konsequente, bevorzugte Tragen von FFP2 Masken, insbesondere in Innenbereichen, sowie
der verstärkte Einsatz von Schnelltests bei Zusammenkünften vor und während der Festtage.
Besonders vulnerable Gruppen bedürfen verstärkter Schutzmaßnahmen durch hochfrequente
Testung und FFP2 Masken.
Bei allen Entscheidungen müssen die Interessen besonders belasteter und vulnerabler
Gruppen, wie beispielsweise Kinder, Jugendliche oder Pflegebedürftige höchste Priorität
erhalten.
Der Expertenrat erwartet für die kommenden Wochen und Monate enorme
Herausforderungen, die ein gemeinsames und zeitnahes Handeln aller erfordern. Neben dem
konsequenten Handeln ist stringentes Erklären entscheidend. Die Omikronwelle trifft auf eine
Bevölkerung, die durch eine fast zweijährige Pandemie und deren Bekämpfung erschöpft ist
und in der massive Spannungen täglich offenkundig sind. Eine umfassende
Kommunikationsstrategie mit nachvollziehbaren Erklärungen der neuen Risikosituation und
der daraus folgenden Massnahmen ist essentiell. Die Omikronwelle läßt sich in dieser
hochdynamischen Lage nur durch entschlossenes und nachhaltiges politisches Handeln
bewältigen.
Zustimmung im Expertenrat: 19 von 19
 by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Pressemitteilung der BZÄK:
Informationen für Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in Zahnarztpraxen
Die Bundestagsfraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben den Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“ vorgelegt, welches zeitlich befristet auch Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in Zahnarztpraxen vorsieht.
Dafür ist es notwendig, logistische, personelle, haftungsrechtliche und abrechnungstechnische Details zu klären, um die geplanten Schutzimpfungen zu ermöglichen.
Hinweis
Das Impfen in den Zahnarztpraxen kann noch nicht sofort nach Inkrafttreten des o.g. Gesetzes starten. Zahnärzte und Zahnärztinnen werden auf Grund der derzeitigen Impfstofflimitierungen und ungeklärten Umsetzungsdetails die ärztliche Kollegenschaft zunächst in externen mobilen Einheiten, Arztpraxen und Impfzentren unterstützen können. Falls die pandemische Lage dies erfordern sollte, können darüber hinaus perspektivisch auch Impfungen in Zahnarztpraxen in Betracht gezogen werden. Hierfür fehlen derzeit jedoch noch entsprechende Voraussetzungen wie etwa Software-Tools.
Die nachfolgenden Informationen geben den aktuellen Sachstand wieder. Damit soll Zahnärztinnen und Zahnärzten die Möglichkeit geben werden, die Zeit bis zum möglichen Impfstart für die Vorbereitung zu nutzen.
Bevor Zahnärztinnen und Zahnärzte die erste Impfdosis verabreichen können, ist noch eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Gesetzliche Grundlage
Impfen ist eine ärztliche, keine zahnärztliche Leistung.
Gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG bedarf „wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, einer Erlaubnis“. Mit dem neuen § 20b Infektionsschutzgesetz soll eine solche Erlaubnis geschaffen werden. Das Gesetz soll am 10. Dezember 2021 im Bundestag verabschiedet werden. Da das Gesetz zustimmungspflichtig ist, muss noch der Bundesrat entscheiden.
2. Teilnahme an einer ärztlichen Schulung
Der Gesetzgeber verpflichtet impfwillige Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Teilnahme an einer ärztlichen Schulung, in der die folgenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden sollen:
1. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung der Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, insbesondere zur
a) Aufklärung,
b) Erhebung der Anamnese einschließlich der Impfanamnese und der Feststellung der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien,
c) weiteren Impfberatung und
d) Einholung der Einwilligung der zu impfenden Person,
2. Kenntnis von Kontraindikationen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zu deren Beachtung und
3. Kenntnis von Notfallmaßnahmen bei eventuellen akuten Impfreaktionen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung dieser Notfallmaßnahmen.
Die Bundeszahnärztekammer wird bis zum 31. Dezember 2021 gemeinsam mit der Bundesärztekammer ein Muster-Curriculum für diese ärztliche Schulung vorlegen. Auf der Grundlage dieses Lehrplanes werden dann Schulungen – vorzugsweise in Form des E-Learnings – entwickelt. Sobald die Kurse verfügbar sind, werden wir hierüber informieren.
3. Nachweis einer erfolgreichen Teilnahme
Neben der Teilnahme an der ärztlichen Schulung sieht das Gesetz vor, dass eine Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme ausgestellt wird. Erst der Besitz dieses Nachweises berechtigt zur Impfung durch Zahnärzte und Zahnärztinnen.
4. Geeignete Räumlichkeiten
Das Gesetz knüpft das Impfen in zahnärztlichen Praxen an das Vorhandensein „geeigneter Räumlichkeiten mit der Ausstattung …, die für die Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 erforderlich ist“.
Konkrete Vorgaben zur Infrastruktur der Zahnarztpraxen macht das Gesetz nicht. Hier werden grundsätzlich zahnärztliche Behandlungsräume ausreichen, da erforderliche medizinische Handschuhe, Hände-/Hautdesinfektionsmittel etc. in den Praxen vorhanden sein werden und das Verbrauchsmaterial über die Apotheke mitgeliefert wird.
5. Haftpflichtversicherung
Alle Zahnärztinnen und Zahnärzte sind mit einer Berufshaftpflichtversicherung gegen Haftpflichtansprüche aus ihrer beruflichen, sprich zahnärztlichen Tätigkeit versichert. Impfen ist jedoch eine ärztliche, keine zahnärztliche Leistung. Eine Reihe von Versicherungsunternehmen hat auf Nachfrage bestätigt, dass eine gesetzliche Öffnung der Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 die Impfung zur beruflichen Tätigkeit der Zahnärzteschaft macht. Es ist jedoch nicht bekannt, ob alle Versicherungsunternehmen diese Auslegung stützen. Um Lücken im Versicherungsschutz vorzubeugen empfiehlt die BZÄK, sich vor Aufnahme der Impftätigkeit von der Versicherung schriftlich bestätigen zu lassen, dass Impftätigkeit vom Versicherungsschutz erfasst ist.
6. Regelung zur Vergütung und einer Teilnahme an der Impf-Surveillance
Regelungen zur Vergütung und Abrechnung bzw. Abrechnungswegen der Impfleistungen hat der Gesetzgeber noch nicht getroffen.
Voraussetzung für das Impfen in ärztlichen Praxen ist die Teilnahme an der „Impf-Surveillance“ und die tägliche Information des RKI über die Anzahl der Impfungen, die Impfstoffe und die Altersgruppen. Auch hierzu fehlen bislang noch Regelungen für zahnärztliche Praxen.
Derzeit ist davon auszugehen, dass diese Regelungslücken durch Einbeziehung der Zahnärzteschaft in die Corona-Impfverordnung geschlossen werden.
7. Hinweise, Tipps und Formulare für das Impfen in der Praxis
7.1. Aufklärungsbögen sowie Anamnese- und Einwilligungsbögen zur COVID-19-Impfung (mRNA-Impfstoff und Vektorimpfstoff):
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Aufklaerungsbogen-Tab.htm
Diese Dokumente werden laufend aktualisiert.
7.2. Antworten auf häufige Fragen rund um die COVID-19-Schutzimpfung in Arzt-Praxen (u.a. Aufklärung, Dokumentation, Praxisorganisation, Abrechnung):
https://www.kbv.de/html/covid-19-impfung.php
Die Bundeszahnärztekammer empfiehlt Zahnärztinnen und Zahnärzten, die planen, sich und ihr Team in die Impfkampagne einzubringen, regelmäßig diese Seite zu besuchen. Dort wird das Informationsangebot zum Impfen kontinuierlich ausgebaut, sobald die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen geschaffen und offene Fragen geklärt sind.
BZÄK und KZBV zum Impfen durch Zahnärzte (01.12.21)
Pressemitteilung von BZÄK und KZBV: Impfungen beim Zahnarzt in der Praxis noch NICHT sofort möglich! (03.12.21)
 by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Aus dem “Newsroom” der gematik:
Aufgrund der aktuellen Meldung des BSI zur “log4j” Schwachstelle mussten einige Dienste der Telematikinfrastruktur präventiv vom Internet getrennt werden.
Die betroffenen Dienste sind potentiell von der Schwachstelle betroffen und werden erst nach dem Schließen der Lücke wieder erreichbar sein. Die getroffenen Vorsichtsmaßnahmen dienen zum Schutz der Daten von Patientinnen und Patienten. Wir arbeiten zusammen mit unseren Partnern mit Hochdruck daran und informieren umgehend bei einem neuem Kenntnisstand.
Meldung auf dem Fachportal 
Meldung des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
 by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
- Sitzung des Bundesrates am 10. Dezember 2021
Beschluss:
Einstimmig hat der Bundesrat am 10. Dezember 2021 umfangreichen Änderungen am Infektionsschutzgesetz und weiteren Gesetzen zugestimmt, die der Bundestag nur wenige Stunden zuvor verabschiedet hatte. Das Artikelgesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Das Gesetz, das auf einen Entwurf der neuen Regierungskoalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP zurückgeht, sieht eine Impfpflicht für Beschäftigte von Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungs- und Pflegediensten, Geburtshäusern und weiteren, einzeln aufgezählten Einrichtungen vor: Sie müssen ab 15. März 2022 einen Corona-Impf- bzw. Genesenennachweis vorlegen – oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Neue Arbeitsverhältnisse in den genannten Einrichtungen sind ab 16. März 2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises möglich.
Schutz für vulnerable Gruppen
Personal in Gesundheitsberufen und Pflegeberufen komme eine besondere Verantwortung zu, da es intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Infektionsrisiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf habe, heißt es in der Gesetzesbegründung. Ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus durch eine sehr hohe Impfquote beim Personal in diesen Berufen sei wichtig.
Handlungsbefugnisse für das Gesundheitsamt
Bei Zweifeln an der Echtheit des Nachweises soll das Gesundheitsamt Ermittlungen einleiten und einer Person, die keinen Nachweis vorlegt, die Tätigkeit in einer solchen Einrichtung oder einem Unternehmen untersagen können.
Erweiterter Kreis der Impfberechtigten
Vorübergehend sind Corona-Impfungen auch bei Zahnärzten, Tierärzten und Apothekern möglich, sofern diese entsprechend geschult sind. Ziel ist eine Beschleunigung vor allem bei den Booster-Impfungen.
Längere Geltung für Schutzmaßnahmen der Länder
Bestimmte Schutzmaßnahmen, die die Länder vor dem 25. November 2021 erlassen haben, können bis zum 19. März 2022 in Kraft bleiben – nach derzeitiger Rechtslage sind sie bis zum 15. Dezember 2021 befristet.
Nachschärfungen am Handlungskatalog
Künftig ist es den Ländern wieder möglich, Sportveranstaltungen mit größerem Publikum, Versammlungen sowie Messe und Kongresse zu untersagen und gastronomische Einrichtungen, Freizeit- oder Kultureinrichtungen wie Diskotheken und Clubs zu schließen.
Hilfe für Krankenhäuser
In der Coronakrise besonders belastete Krankenhäuser erhalten kurzfristig einen finanziellen Ausgleich. Er dient dazu, finanzielle Folgen und Liquiditätsengpässe für Krankenhäuser, die planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschoben oder ausgesetzt haben, abzufedern.
Erweiterte Sonderregeln beim Kurzarbeitergeld
Die Corona-bedingten Sonderregeln beim Kurzarbeitergeld werden bis zum 31. März 2022 verlängert. Dies betrifft unter anderem den anrechnungsfreien Hinzuverdienst aus einer geringfügigen Beschäftigung und den Anspruch auf erhöhtes Kurzarbeitergeld: Beschäftigte, die länger als drei Monate in Kurzarbeit sind, erhalten weiterhin einen Aufschlag. Ab dem vierten Bezugsmonat beträgt das Kurzarbeitergeld 70 Prozent der Differenz zum bisherigen Nettolohn, ab dem siebten Monat 80 Prozent. Wenn ein Kind im Haushalt lebt, erhöht sich der Leistungssatz auf 77 bzw. 87 Prozent. Die erhöhten Bezüge gelten auch für Personen, die seit April 2021 erstmals in Kurzarbeit gehen mussten.
Weiterhin virtuelle Versammlungen
Die bereits Ende Juni 2021 ausgelaufenen pandemiebedingten Sonderregelungen für virtuelle Betriebsversammlungen und Gremiensitzungen als Telefon- und Videokonferenzen werden befristet bis zum 19. März 2022 wieder eingeführt – mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit.
Verlängerte Sonderregeln für Werkstätten und Rechtsberufe
Der Bundestagsbeschluss verlängert die Übergangsregelung zu den Mehrbedarfen für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Werkstätten bis zum 31. März 2022. Die Sonderregeln für Rechtsanwalts-, Notar-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkammern gelten bis zum 30. Juni 2022 fort.
Rasches Inkrafttreten geplant
Das Gesetz soll zu großen Teilen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Den Zeitpunkt bestimmt die Bundesregierung: Sie leitet den Gesetzesbeschluss dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zu und organisiert anschließend die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.
Bundesrat | Presse und Kommunikation
11055 Berlin
Camilla Linke
 by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Urteil vom 9. Dezember 2021 – I ZR 146/20 – Werbung für Fernbehandlung
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche Fernbehandlungen geworben werden darf.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit der Aussage “Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.” für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines “digitalen Arztbesuchs” mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG mit Wirkung zum 19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt worden. Danach gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine – dem Gesundheitsschutz dienende – Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur Unterlassung der Werbung verpflichtet.
Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch – etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall – untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.
Nach § 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung ist das in Satz 1 geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den allgemein anerkannten fachlichen Standards sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint. Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist. Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V ergeben. Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der Bundesgerichtshof abschließend entscheiden, dass die beanstandete Werbung unzulässig ist.
Karlsruhe, den 9. Dezember 2021
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe