by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Ein politischer Nachruf
Zum Abschluss einer Legislaturperiode ist es nicht schlecht, eine Bilanz der geleisteten Arbeit zu ziehen. Und es ist bei der Regierungsarbeit der letzten Jahre zweifellos viel gearbeitet und „auf den Weg gebracht“ worden, wie es oftmals nicht ohne Stolz heißt. Das ist ein schwieriger Akt bei einer Koalition aus zwei Parteien, die vom Grundsatz her eigentlich nicht für einander geschaffen sind. Während die eine Partei dem wirtschaftlichen Geschehen als Quelle wachsenden Wohlstandes das meiste Augenmerk widmete, strebte die andere die soziale Verbesserung von der Basis her an. Ob mehr oder weniger Kapitalismus zu mehr sozialem Frieden und zu mehr Wohlstand führt, muss jeder in dieser Zeit für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass eine Regierungspolitik, die auf ständige Kompromisslösungen angewiesen ist, keinen eindeutigen Kurs fahren kann und daher auf der Stelle tritt. War das schon während der letzten Jahre schwierig, so traten die Differenzen, zunehmend gepaart mit Lustlosigkeit, auf dem Sterbebett der Großen Koalition noch deutlicher zutage. Man musste den Eindruck gewinnen, dass der Kapitän/die Kapitänin samt Mannschaft bereits abgemustert hatten, während die neue Crew noch mit der Kleiderordnung beschäftigt war. Verantwortung sieht anders aus. Die so wichtigen und vorausblickenden Entscheidungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden nach wie vor nur im Nachgang getroffen, nachdem Wissenschaftler, Ärzteverbände, Interessenvertreter und nicht zuletzt die Presse die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen als unausweichlich schildern. „Politik on demand“ gewissermaßen. Parteipolitische Scharmützel – gerne auch aus dem Süden – kamen hinzu und dilatierten unnötigerweise das Elend und die Unentschlossenheit. Offensichtlich hat es die Politik versäumt, die parteipolitische Bewertung in den Hintergrund zu stellen. Und der Gesundheitsminister schien bereits im Vorruhestand zu sein.
Was hat Spahn in Sachen Gesundheit geleistet?
Der Bundesminister für Gesundheit hat sich in den vergangenen Jahren mit Verve der Digitalisierung des Gesundheitssystems gewidmet. Im Prinzip eine notwendige und selbstverständliche Entwicklung. Er hat dabei vornehmlich und gezielt der Digitalindustrie „aufs Fahrrad“ geholfen, und er hat die „gematik“ majorisiert, die sich als unermüdlicher Digital-Treiber präsentiert. Die Umsätze sowie die Gewinne der Softwareindustrie sind dabei auf unabsehbare Zeit befördert und gesichert worden, während die Ärzteschaft mit Sanktionen bedroht und die Kassen der Krankenkassen bis auf einen Bodensatz entleert worden sind. Als Ausdruck ständigen Misstrauens wurde die Prüfbürokratie mit neuen Behörden mit pensionsberechtigtem Personal aufgebläht. Die ärztliche Expertise scheint weitgehend entbehrlich.
… und was hat er nicht geleistet?
Fragen über Fragen. Hat der Bundesgesundheitsminister die Digitalisierung der Gesundheitsämter in gleichem Maße vorangetrieben wie die Zwangsdigitalisierung der ärztlichen Praxen, bei denen die „gematik“ selbst bereits mit der TI 2.0 die Totenglocken für die ebenso teuren wie komplexen Konnektoren läutet? Hat der Platzhalter des Ministers bei der „gematik“ nicht schon lauthals über die Cloud-Lösung nachgedacht – koste es, was es wolle? Zur selben Zeit wird in der Corona-Krise von Faxgeräten in den Gesundheitsämtern berichtet. Oder hat der Minister in seiner Amtszeit dafür gesorgt, dass die Fallpauschalen außer Kraft gesetzt werden, die Krankenhäuser dazu nötigen, schwarze Zahlen zu schreiben und sich auf OPs zu konzentrieren, die eine möglichst hohe Gewinnmarge versprechen, um den Betrieb nicht zu gefährden? Ist nicht infolge dieser Denke das Personal ausgedünnt und ausgenutzt worden? Immerhin gab es stehenden Applaus! Niemand würde auf die Idee kommen, die Ausrüstung und das Personal der Feuerwehr durch Brandschäden oder die Polizei je nach Höhe ihrer Aufklärungsrate zu finanzieren. Hat der Minister in seiner Amtszeit verhindert, dass das deutsche Gesundheitssystem von privaten Investoren mit Gewinnabschöpfung okkupiert wird? Während in der Parteienlandschaft inzwischen über das trickreiche Wirken von investorgetriebenen MVZs – insbesondere in der Zahnmedizin – heftig nachgedacht wird und die Gesundheitsministerkonferenz bereits ein Umsteuern fordert, zeichnete sich Spahn allenfalls durch Halbherzigkeit aus. Erst einmal beobachten, lautete seine Empfehlung, während Investoren weiterhin expandieren. Apropos Zahnheilkunde: Hat er sich nach 33-jährigem Stillstand jemals für eine Erhöhung des GOZ-Punktwertes eingesetzt? Das nenne ich ministrable Verachtung eines Berufsstandes. Hat sich der Minister bei seiner Kollegin Klöckner dafür eingesetzt, dass das Verfüttern von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung umgehend eingestellt wird, um Menschenleben zu retten? Hat er sich dafür eingesetzt, dass zumindest gängige Arzneimittel in Europa hergestellt werden und nicht am anderen Ende der Welt? Und das permanente Beschaffungsversagen während der Pandemie und das gegenwärtige Impf-Chaos sprechen Bände.
Ein Minister Spahn, der mit großer Hingabe und Liebe an seiner Karriere schnitzt wie ein Mittenwalder Madonnenschnitzer und dabei verantwortungsvolles und geordnetes Planen zur Eindämmung einer Pandemie vermissen lässt, läuft Gefahr, als bloßer Karrierist entlarvt zu werden.
Tradition in der Missachtung eines Berufsstandes
Wenn wir an die Namen Ehrenberg, Schmidt, Fischer, Gröhe und letztlich Spahn denken, so haben sich alle Gesundheitsminister (m/w/d) der letzten Dekaden durch eine mehr oder minder ausgeprägte Geringschätzung des ärztlichen Berufsstandes ausgezeichnet. In dieses Raster passt auch der letzte Spruch des Landes-Gesundheitsministers Laumann, der kürzlich den Ärzten denunziatorisch geraten hatte, am Sonnabend nicht auf den Golfplatz zu gehen, sondern die Zeit zum Impfen zu nutzen! Er hat sich dafür entschuldigt, aber mit seiner Entgleisung tiefen Einblick in seine Denke gegeben. Gleichzeitig haben es alle Gesundheitsminister auf mysteriöse Weise verstanden, bei ärztlichen Kongressen und Versammlungen Beifall für ihre geschmeidigen und eloquenten Grußbotschaften zu erhalten. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie sich diese Tradition unter einer neuen Koalition fortsetzen wird. Ich ahne nichts Gutes!
Wann endlich wird eine Bundesgesundheitsministerin oder ein Bundesgesundheitsminister genügend Persönlichkeit, Unvoreingenommenheit, Charakter und idealerweise noch Sachverstand mitbringen, um die Akteure unseres hervorragenden Gesundheitssystems fair zu behandeln und die Gesundheit der Bevölkerung und nicht die Gesundheitspolitik als vordringlich zu betrachten? Es bleibt die Hoffnung.
Dr. Michael Loewener, Wedemark
Zahnärzte für Niedersachsen – ZfN
by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
– auf der Zielgeraden des europoäischen Gesetzgebungsverfahrens
– Verordnung mit verstecktem Zündstoff
– Herausgabe von Daten an Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten
Der Monat nähert sich seinem Ende und somit ist eine neue Verordnung fällig. Aus Berlin darf man sie derzeit nicht erwarten, da sich in vereinter Vorfreude auf das Wahlergebnis zum Deutschen Bundestag in diesen Tagen niemand mit einem neuen Würgeholz in die Öffentlichkeit traut. Aber eines ist sicher: Der Verordnungsstau ist nur von vorübergehender Natur. Nach der Wahl werden neue „Produkte“ aus den Werkhallen des Gesundheitsministeriums präsentiert werden – so oder so! Im ungünstigsten Fall wird der alte „Werkleiter“ sogar der neue sein und sich das Elend verstetigen.
In der Zwischenzeit springt Europa in die Bresche und bringt die sog. E-Evidence-Verordnung ins Spiel, in der die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit und weitere Institutionen eine weitere ernstzunehmende Gefährdung des Datenschutzes im Gesundheitswesen erkennen:
Welcher Anspruch steht hinter der neuen Verordnung?
Nach der geplanten sog. E-Evidence-Verordnung könnten zukünftig Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten die Herausgabe von (medizinischen) Daten verlangen. KBV-Vorstandsmitglied Kriedel sieht „nichts weniger in Gefahr als das ärztliche Berufsgeheimnis“.
Wenn, wie zu erwarten, der Europäische Rat in Kürze die E-Evidence-Verordnung verabschiedet, ist nicht ausgeschlossen, dass es Ermittlungsbehörden aus anderen EU-Staaten ermöglicht wird, Zugriff auf Patientendaten in der Cloud zu erhalten – und zwar auch ohne Zustimmung und Wissen des Praxisinhabers.
Der Entwurf der Verordnung wird gegenwärtig im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament beraten.
Wer über Zeit, Durchhaltevermögen und vor allem juristischen Spürsinn für Feinheiten und Querwirkungen verfügt, möge zum besseren Verständnis den Entwurfstext der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen“ unter der folgenden Adresse studieren.
https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:639c80c9-4322-11e8-a9f4-01aa75ed71a1.0003.02/DOC_1&format=PDF
Bei dem Text handelt es sich um ein juristisch ausformuliertes Meisterwerk, das ganz sicher vielen Juristen mit Pensionsberechtigung für Jahre Beschäftigung gegeben hat.
Beim Lesen der ineinandergreifenden Passagen kann den Leser durchaus das Gefühl beschleichen, dass es sich, um das böse Wort von der Ermächtigung zu vermeiden, um das Zugeständnis weitestgehender Eingriffsmöglichkeiten in die Datenhoheit nahezu aller Dienstleister und deren Server auf vielen Ebenen bis hin zu den (a)sozialen Medien handelt – natürlich nur zum Zweck der „Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafsachen“ (!).
Wäre es demnach völlig ausgeschlossen, einer Person eine Straftat zu unterstellen, die mit einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht wird, um an sämtliche Daten dieser Person zu gelangen?
Man wolle, so ist dem Papier zu entnehmen, die Kooperationsverfahren an das digitale Zeitalter anpassen und der Justiz und den Strafverfolgungsbehörden „Instrumente für den Umgang mit den heutigen Kommunikationsmethoden von Straftätern“ an die Hand geben, um gegen „moderne Formen der Kriminalität“ vorgehen zu können. Allerdings lässt die Verordnung viel Raum für Spekulationen, nach denen auch das ärztliche Berufsgeheimnis gefährdet sein könnte. Laut Ärztlichem Nachrichtendienst (änd) bringt es die KBV auf den Punkt, indem sie verlauten lässt: „Wir hoffen, dass Parlament und Rat hier noch zu einer Einigung finden, die dem deutschen Datenschutz und der ärztlichen Schweigepflicht entspricht“. Andernfalls, so zitiert der änd weiter, sei in Deutschland nicht nur die ePA in Gefahr, „sondern die Digitalisierung insgesamt”.
Dr. Silke Lüder ging für die Freie Ärzteschaft (FÄ) ins Detail und erklärte: „Da alle ärztlichen Daten in Deutschland künftig in Form von elektronischen Patientenakten (ePA) bei IT-Firmen in der Cloud gespeichert werden sollen, sind auch sie nicht mehr vor der Ausforschung durch andere Staaten geschützt. Die ärztliche Schweigepflicht ist dann nur noch Makulatur, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung damit ebenfalls.“ Und das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) sieht durch die Verordnung die ärztliche Schweigepflicht bedroht und hat eine entsprechende Petition gegen die Herausgabe von Daten initiiert: https://dpnw.de/
Sicherlich darf man davon ausgehen, dass diese Verordnung mit dem nichtssagenden Namen „E-Evidence-Verordnung“ und dem gehaltvollen Inhalt trotz aller Bedenken in nahezu unveränderter Form in Kraft treten wird.
Dr. Michael Loewener
Wedemark
by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Sie haben eines gemein. Sie wollen als Minderheit einer Mehrheit ein schlechtes Gewissen machen. Mehr noch, sie versuchen, diese in eine Schuldnerrolle zu drängen, um selbst im hellen Licht der Aufgeklärtheit und der Gerechtigkeit nach eigenem Zuschnitt zu erstrahlen.
Gendergerechtigkeit und Antirassismus belegen die Schlagzeilen in einer Zeit, in der die Politik den Schlüssel für drängende Zukunftsentscheidungen nicht finden kann. Während Feuer- und Wasserkatastrophen in diesem Jahr unmissverständlich anzeigen, dass Wirtschaftswachstum und ungebremster Kapitalismus mit seinem Streben nach Gewinnmaximierung einer Einfriedung bedürfen, gibt es Menschen und „Menschinnen“, die einen Geschlechterkampf inszenieren, den wir längst überwunden geglaubt hatten. Unterschiede der Geschlechter, die das Leben eigentlich angenehm und interessant machen, werden krampfhaft verwischt, und außergewöhnliche Lebensformen werden nicht minder krampfhaft auf allen Kanälen in den Vordergrund gerückt. Das Wort „Gerechtigkeit“ erfährt dieser Tage eine Verzerrung und wird zum Druckmittel zur Durchsetzung eigener Vorstellungen. Gleichzeitig geraten wesentliche Teile einer „Gendergerechtigkeit“ wie die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Leistung in den Hintergrund.
Nicht genug mit dem Anspruch von „Identitätsproblematiker:Innen“. Nun betritt auch eine selbstgerechte Sprachpolizei die Bühne. Sie entdeckt angebliche Missstände und rassistische Vorurteile in allen Lebensbereichen, denen man mit Bann und Tabuisierung begegnen müsse. Das Sagbare soll begrenzt und der Sprache eine politische Lenkungsfunktion zugesprochen werden. Neuester Vorwurf: Das Wort „Schwarzfahrer“ diskriminiere schwarze Menschen (besser Menschen mit dunkler Hautfarbe). Dieser gedanklichen Überstreckung fühlen sich die Verkehrsbetriebe in Hannover verpflichtet; denn in ihrer Sprachregelung gibt es ab sofort keine „Schwarzfahrer“ mehr, sondern nur noch „Personen ohne gültigen Fahrschein“. Nicht minder furchtsam scheint ein bekannter Keksfabrikant in Hannover zu sein, der sein bekanntes Produkt mit dem Namen „Afrika“ vorauseilend umbenannt hat, um den Umsatz nicht zu gefährden. Gleichzeitig geht jenen Gutmenschen (nicht zu verwechseln mit guten Menschen) das Wort vom „alten weißen Mann“ leichtfertig über die Lippen – eine doppelte Diskriminierung.
Ja, sind wir denn noch alle bei Sinnen, fragt sich der Bürger Simplex? Wird der Rassismusvorwurf auch demnächst denjenigen zuteil, die beim Bäcker oder bei dem/der Bäcker*in ein Schwarzbrot verlangen? Wobei mir der Gedanke kommt, dass bei fortgesetzten Apartheitsgedanken auch das unschuldige „Weißbrot“ irgendwann in den Fokus geraten könnte. Wie verhält es sich zukünftig mit der „Schwarzarbeit“. Oder mit dem „Schwarzgeld“? Ganz zu schweigen von den „schwarzen Kassen“. Die Wandlung vom „Schwarzen Brett“ zum Whiteboard hingegen dürfte den sprachlichen Ordnungshütern gefallen.
Haben die Heroen des Antirassismus noch nicht die Farbe „rot“ auf dem Zettel? Schließlich liest man immer noch das Wort von der „Rothaut“ in der Literatur. Es gibt noch viel zu tun für Sprachexorzisten!
Nicht nur Worte, sondern auch Verhaltensweisen unterliegen inzwischen dem Bemühen um „Political Correctness“. So steht der inzwischen gebräuchliche Begriff „Cancel Culture“ (Absage-, Lösch- oder Zensurkultur) für das Bemühen, vermeintliches Fehlverhalten oder diskriminierende Aussagen öffentlich zu ächten. Eine Bewegung, die ihren Weg aus den USA und Kanada nach Europa gefunden hat und der im Kern die Unterdrückung unpopulärer Meinungen und angeblich politisch unkorrekten Verhaltens an Universitäten und in sozialen Medien vorgeworfen wird. Eine selbstgefällige Entwicklung auf dem Weg zur gedanklichen Einschränkung und zur Selbstzensur.
Erst kürzlich hat die Stadt Hannover den Vortrag des renommierten Historikers Prof. Dr. Helmut Bley unter dem Titel „Kolonialgeschichte von Afrikanern und Afrikanerinnen her denken“ gecancelt, weil eine Initiative der Ansicht war, dass ein „weißer Mann“ nicht erklären könne, wie man Geschichte von Afrikanerinnen und Afrikanern her denkt. „Eine massive Zensurbewegung, die nur Betroffene für berechtigt hält, über ein Problem zu sprechen“, kommentierte Bley den Vorgang. https://verqueert.de/prof-dr-helmut-bley-und-die-cancel-culture-oder-wie-kann-kritik-wahrgenommen-werden-und-auseinandersetzung-stattfinden/
Insgesamt sehe ich ziemlich schwarz für unsere Sprache – zumindest aber dunkelgrau – wenn sie zum Spielball der Selbstgerechten und zum Pseudopolitikum wird! Die Diskussion um Begriffe lohnt sich immer – aber bitte ohne den Anspruch der Bevormundung.
Das schöne an dieser Entwicklung ist jedoch, dass man (noch) nicht gezwungen ist, diesen ganzen Blödsinn mitzumachen. Nur Mut!
Dr. Michael Loewener
by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Es war ein offenes Geheimnis, dass die Datenautobahn der TI früher oder später die eine oder andere zusätzliche Auf- und Abfahrt erhalten würde. Wenn die gematik Gesellschaft mit beschränkter Haftung nun mit Stolz die Geburt von „WANDA“ verkündet, dann dürfte auch dem letzten Wohlgesonnenen klar werden, wohin die Reise auf der Datenautobahn gehen soll. Nicht zufällig hat der Bundesgesundheitsminister im Sommer 2019 den ihm durch ein Immobiliengeschäft bekannten und lobbyerfahrenen Pharma-Manager Dr. Markus Leyck Dieken als hochbezahlten Chef-Digitalisierer im Gesundheitswesen inthronisiert. Er nimmt laut Corporate Governance Bericht 2019 Geschäfte der gematik „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ wahr und findet seit 2019 außerdem Zeit für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der PAION AG, einem börsennotierten biopharmazeutischen Unternehmen. Da ist ein Interessenkonflikt nahezu ausgeschlossen.
https://www.paion.com/de/medien-investoren/corporate-governance/erklaerung-zur-unternehmensfuehrung
Ferner gibt es mit dem „Associate“ Martin Heisch eine personelle Verbindung zwischen dem „Produktmanagement“ der gematik und einer schweizerischen Anwaltskanzlei für alle Bereiche des Wirtschaftsrechts. Die Zwangs-Beteiligung von Körperschaften des öffentlichen Rechts als festgeschriebene Minderheit an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirkt auf den ersten Blick höchst fragwürdig. Dies umso mehr, als die gematik zumindest in Teilen als Geschäftsbetrieb gesehen werden kann.
Nun scheint die „Investition“ für die gematik GmbH aufzugehen; denn der neue Geschäftsführer hält sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern steuert die gematik mit Verve in Richtung eines Wirtschaftsbetriebes. Mit „WANDA“ wird, wie die gematik nun formuliert, eine weitere Anwendung für den Datenaustausch nachgeladen.
Datenaustausch bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass die Datenautobahn neue Ab- und Auffahrten erhält. Aber für wen – und zu wessen Nutzen?
Mit blumigen Worten preist die gematik in ihrer Pressemitteilung vom 03.05.2021 das neue Produkt an:
„Heute stellen wir die wohl facettenreichste Möglichkeit, die Telematikinfrastruktur (TI) aktiv zu nutzen, mit ihrem neuen Namen, einem eigenen Logo und zusätzlichen Funktionalitäten vor“
Deutlicher wird es im weiteren Text; denn mit der „weiteren Anwendung“ können, so frohlockt die gematik, die „unterschiedlichsten Angebote von Drittanbietern, etwa aus der Gesundheitsforschung oder Industrie, die Telematikinfrastruktur als primäre Plattform für eine sichere Vernetzung“ genutzt werden. Es ist zwar liebevoll untergemischt, aber es ist ausgesprochen: das Wort „Industrie“. Nunmehr soll also die Industrie mit „WANDA“ die Möglichkeit erhalten, an den Daten der TI direkt zu partizipieren. Soll der industrielle Gemischtwarenladen damit eine eigene Auffahrt erhalten, um als Drittanbieter die TI als primäre Plattform für Angebote zu nutzen?
gematik als Mautstation?
Als Mautstation für die Auf- und Abfahrten bietet sich die gematik gleich selbst, aber nicht selbstlos, an, wenn es in der PM heißt: „Die Voraussetzung ist ein Bestätigungsverfahren – nämlich WANDA, kurz für: Weitere Anwendungen für den Datenaustausch –, das diese Dienste bei der gematik durchlaufen und erfolgreich absolvieren müssen.“
Geschäftstüchtig geht es weiter, denn die gematik bietet für das Datengrabbing eine Standardnutzung und eine Deluxe-Nutzung an, wenn es heißt: „Die Anwendungen können als Option „Smart“ oder „Basic“ gebucht werden. WANDA-„Smart“-Nutzer können dabei auf zentrale Dienste der Telematikinfrastruktur zugreifen oder kryptografische Identitäten der TI für eigene Anwendungszwecke mitnutzen, wohingegen in der Anbindungsoption „Basic“ der Anschluss an die TI ohne die Nutzung dieser Dienste möglich ist.“
„Bezahlbarer“ Zugang für die Industrie
Mit dem Wortgeschwurbel einer Werbeagentur will die gematik der Industrie einen „unkomplizierten“ und „bezahlbaren“ Zugang zum Netz andienen. Das jedenfalls ließe sich aus dem folgenden Text der PM extrahieren:
„Die bisherige sperrige Bezeichnung bzw. Bestätigung der gematik für diese weiteren Anwendungen als „aAdG-NetG-TI“ wird durch dieses ‚Makeover‘, das weit mehr als nur den Namen betrifft, abgelöst. Lars Gottwald, Leiter Business Teams bei der gematik, betont: „Wir wollen mit WANDA ein attraktives Angebot an die Industrie und die Leistungserbringer richten, in dem wir ihnen beispielsweise einen unkomplizierten und bezahlbaren Zugang zum Netz stellen und sie auf dem Weg ihrer Anwendung in die Telematikinfrastruktur unterstützen. Daran arbeiten wir kontinuierlich: So eröffnen wir nun durch unseren zentralen Plattformdienstleister neue technische Möglichkeiten für die Anbieter einer WANDA – beispielsweise, ihre Anwendung sicher in der Provider Zone zu hosten, ganz ohne teure Netzzugänge oder hohe Betriebskosten für eine extern betriebene Leitung. “Ein Service, der immer mehr Zuspruch findet: „Das Anwendungsspektrum der Anfragen reicht von einer elektronischen Fallakte über Abrechnungsunterstützung für Leistungserbringer bis hin zu innovativer Prozesssteuerung beim schnellen Auffinden von Experten für eine Zweitbeurteilung im Notfall oder auch dem Zugriff auf medizinische Register“, ergänzt der Produktmanager für WANDA, Martin Heisch. Das Potenzial, das WANDA für die Telematikinfrastruktur bietet, soll nun – nicht nur, aber auch dank des neuen Looks -weiterwachsen.“
Es wird vermutlich nicht die letzte Geschäftsidee des erfahrenen Geschäftsführers bleiben. Immerhin lässt diese PM die Zielrichtung deutlicher denn je erkennen.
Wer den Drang verspürt, in die Tiefen der „Richtlinie Nutzungsvoraussetzungen der TI für weitere Anwendungen des Gesundheitswesens sowie für die Gesundheitsforschung“ einzutauchen, dem wird unter
https://fachportal.gematik.de/anwendungen/weitere-anwendungen
das Geflecht und das Geschäftsfeld nebst Gebührenstruktur, das sich hinter der Fassade der gematik GmbH entwickelt, noch deutlicher vor Augen geführt. Die zunehmende Verknüpfung mit wirtschaftlichen Interessen ist für manchen Zeitgenossen unübersehbar und sollte bei der Politik mehr Beachtung finden.
Dr. Michael Loewener
Wedemark
Erstveröffentlichung: dzw 20/2021
by admin1 | Nov 21, 2024 | 2021
Wenn Sie diesen Text weiterlesen möchten, darf ich im Gegenzug Ihren Mailverkehr analysieren, Ihren Standort und Ihre Vorlieben kennenlernen und gewinnbringend an Hunderte meiner „Partner“ zu Werbezwecken weiterleiten. So etwa würde sich die Kurzfassung dessen anhören, was dem geneigten Leser tagtäglich bei der Suche nach Informationen im Internet begegnet. Gerade in letzter Zeit ist zu beobachten, dass beinahe alle Plattform- und Homepagebetreiber auf den Zug aufgesprungen sind und ein Zugriffsrecht auf das Privatleben ihrer (potentiellen) Kunden einfordern, bevor sie zugänglich werden. Besonders dreist und skrupellos verfahren dabei Weltkonzerne wie Google, Youtube (inzwischen von Google geschluckt) und viele andere. Nachdem die Plattformen über viele Jahre die User mit vielerlei Informationen und kostenlosen Diensten angefüttert haben, scheint nun allerorten die Zeit reif zu sein, um reiche Ernte einzufahren. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass viele Anbieter dazu übergegangen sind, ihre Leistungen mit der Einrichtung eines Kontos zu verknüpfen, d. h. eine Dauer(ver)bindung oder plakativer gesagt einen Horchposten über den Erwerb einer Software hinaus zu schaffen – mit weiteren Möglichkeiten der Ausforschung persönlicher Daten. Da heißt es bei einem Anbieter: „Um ein personalisiertes Inhalts-Profil zu erstellen, können Anbieter Informationen über einen Nutzer sammeln, einschließlich dessen Aktivitäten, Interessen, Besuchen auf Webseiten oder der Verwendung von Anwendungen, demographischen Informationen oder des Standorts, um ein Nutzer-Profil für die Personalisierung von Inhalten zu erstellen oder zu bearbeiten“. Da bleibt kaum ein Wunsch offen.
User werden durch verbales Gewöll verhöhnt
Und so, als wollten die Anbieter ihre User verhöhnen, beginnt der Vorspann fast ausnahmslos mit dem Hinweis, dass man den Datenschutz beachten wolle und deshalb als Voraussetzung folgende Details wissen …. was dann folgt, ist in der Regel filigranes verbales Gewöll. Und ein E-Mail-Dienst setzt noch eine Drohung hinzu, indem es dort abschließend heißt: „Wichtig: Auch wenn Sie nicht zustimmen, sehen Sie weiterhin Werbung, möglicherweise sogar mehr“.
Aber es gibt auch weiterhin Portale, wie beispielsweise zm.online, bei dem man durch einfachen Klick tatsächlich alles abwählen kann
Schöne neue Gesundheitswelt eines digitalverliebten Ministers.
Inzwischen hat auch Bundesminister Spahn die Vorzüge von Google für sich entdeckt. Er hat einen Deal mit dem Internet-Riesen; denn nach Spahn sollen „Verlässliche Gesundheitsinformationen“ über die Suchmaschine Google künftig leichter zu finden sein. Zu diesem Zweck hat das Bundesgesundheitsministerium eine Kooperation mit dem Internetkonzern gestartet, um seine Informationsseite „gesund.bund.de“ „prominenter in den Suchergebnissen zu platzieren“. Abgesehen davon, dass Spahn damit die fragwürdige Werbepraxis nutzt, die geeignet ist, Kundenwünsche auf die Seiten bestimmter Anbieter zu lenken, treibt er die Suchenden damit zwangsläufig in das Datengrabbing des Konzerns. Denn, will man das Portal bei Google suchen, muss man zuvor dessen Nutzungskonditionen zustimmen, also der weiteren Nutzung eigener persönlicher Daten. Und der Konzern fährt gut damit; denn nur wenige User bedienen sich statt der Google-Suchmaschine einer anderen, zu denen beispielsweise die deutsche Suchmaschine „MetaGer“ gehört. Bei Google heißt es u. a. „bevor Sie fortfahren“: „Google verwendet Cookies und andere Daten, um Dienste und Werbung bereitzustellen, zu verwalten und zu verbessern. Wenn Sie zustimmen, personalisieren wir die Inhalte und Werbung, die Ihnen basierend auf Ihren Aktivitäten in Google-Diensten … angezeigt werden. Die Nutzung unserer Dienste wird auch von einigen unserer Partner analysiert“.
Die „Partner“ lauschen mit
Dazu muss man wissen, dass Google die Daten an rund 700 „Partner“ weiterleitet, zu denen beispielsweise Firmen von „DAPP GLOBAL LIMITED 迪愛普科技有限公司 in Hong Kong bis Booking.c und Tchibo zählen. Man erkennt also sehr schnell, dass man mit der Zustimmung weltweit nicht mehr Herr seiner Daten ist. Herzliche Grüße aus China! Dort ist man inzwischen noch ein gutes Stück weiter bei der Nutzung persönlicher Daten und Profile … und man fragt sich zu Recht, wann der Zeitpunkt gekommen sein wird, an dem Staaten und Internetgiganten gleichberechtigte „Partner“ sind. Reicher als manche Staaten sind die Giganten bereits, und da Geld auch Macht bedeutet, könnten sich, um ein schlimmes Szenario zu zeichnen, Staaten einkaufen lassen. Orwell war nur Kindergeburtstag!
Entrinnen kaum möglich
Es soll aber nicht verheimlicht werden, dass die Anbieter fast ausnahmslos ein Türchen für diejenigen User anbieten, die sich vor dem Konzern nicht vollständig entkleiden möchten. Man kann (Vor)einstellungen abwählen und nur denjenigen zustimmen, die angeblich notwendig sind – was immer das bedeuten mag. Leider sind diese Türchen oft so klein und der sich dahinter öffnende Irrgarten umso größer, sodass man am Ende nur zu leicht dort landet, wo man beim Anklicken eines „Nein“ unweigerlich einem „Ja“ zugestimmt hat.
Waren schon Banken „too big to fail”, so sind die Internet-Giganten inzwischen offensichtlich „too big to get killed“. Jedenfalls sind keine staatlichen Bemühungen zu erkennen, die geeignet wären, auf dieser Ebene Datenschutz durchzusetzen, der den Namen auch verdient. Datenschutz ja, aber bitte nicht bei Unternehmen, die böse reagieren könnten, obwohl sie hierzulande in der Regel ohnehin keine Steuern zahlen. Da ist es dem Gesetzgeber schon leichter, Friseure, kleine Kaufleute und auch Ärzte und deren Verbände mit schier unerfüllbaren und überzogenen Datenschutz-Forderungen zu belästigen.
Dr. Michael Loewener, Wedemark