Minusstunden rechtlich betrachtet

    Eine Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu halten, ist – so weit möglich – flexibel die Arbeitszeit zu gestalten. Möglich ist dies z.B. über Arbeitszeitkonten. Doch was ist, wenn sich am Ende eines Arbeitsverhältnisses herausstellt, dass das Arbeitszeitkonto Minusstunden aufweist.

    Rechtlich zu unterscheiden ist zwischen den Minusstunden, bei denen der Arbeitgeber einen Vergütungsvorschuss in Form eines gleichmäßigen Lohns zahlt und die Parteien sich einig sind, dass die Minusstunden durch spätere Mehrarbeit ausgeglichen werden. In diesem Fall sind am Ende des Ausgleichszeitraums des Arbeitszeitkontos oder bei Beendigung des Arbeitsvertrages die Minusstunden durch den Arbeitnehmer auszugleichen oder nachzuzahlen.
    Ein durch Minusstunden ausgedrückter Vergütungsvorschuss entsteht jedoch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer Vergütung ohne Arbeitsleistung beanspruchen kann oder der Arbeitgeber sich nach § 615 Satz 1 und Satz 3 BGB im Annahmeverzug befunden hat, d.h. er den Arbeitnehmer wegen fehlender Arbeit etc. früher entlassen hat. Nach der zu § 615 Satz 3 BGB entwickelten Betriebsrisikolehre der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls, soweit er die Belegschaft aus betrieblichen Gründen unverschuldet nicht beschäftigen kann (Betriebsrisiko) oder die Fortsetzung des Betriebes wegen Auftrags- und Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird (Wirtschaftsrisiko).
    Liegen die Minusstunden im Einflussbereich des Arbeitnehmers, liegt von Seiten des Arbeitgebers ein Vergütungsvorschuss vor. Ruft hingegen der Arbeitgeber die Arbeitszeit vertragswidrig nicht in dem Umfang ab, wie sie vom Arbeitnehmer geschuldet wird und arbeitsvertraglich vereinbart wird, liegen die Voraussetzungen für einen Annahmeverzugs unabhängig eines Angebots der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vor.
    Nimmt der Arbeitnehmer die konkrete Arbeitseinteilung selbst vor und entscheidet er sich selbst, nicht oder weniger zu arbeiten, liegt kein Annahmeverzug vor.  
    Arbeitnehmer zu finden, ist schwer. Ebenso schwer ist es, sie zu halten. Flexible Arbeitszeiten, soweit möglich, sind sicherlich für viele auch ein Anreiz. Manch ein Arbeitnehmer in Teilzeit arbeitet auch mal statt eines halben Tages einen ganzen Tag, wenn er dafür zu anderen Zeiten frei hat oder einen längeren Urlaub nehmen kann. Hier ist die Einführung von Arbeitskonten ein guter Anreiz. Doch sollten solche flexiblen Vereinbarungen schriftlich vereinbart werden. Ferner sollte der Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto möglichst im Blick behalten, damit am Ende eines Arbeitsverhältnisses sein Vergütungsvorschuss nicht zu groß ist. Dies vermeidet Auseinandersetzungen mit dem Arbeitnehmer.

    Dieser Tipp kommt von

    Wencke Boldt

    Fachanwältin für Medizinrecht

    Hildesheimer Straße 33

    30169 Hannover

    Telefon: 0511 8074995