Schriftformerfordernis des Heil- und Kostenplans bei einer andersartigen Versorgung?
Mit dieser Frage hatte sich der Bundesgerichtshof (AZ: III ZR 197/23) zu beschäftigen.
In dem zu entscheidenden Fall hatte sich der Patient für eine implantatgestützte Totalprothese seines Ober- und Unterkiefers entschieden. Er erhielt einen Heil- und Kostenplan für die Inserierung der Implantate, den er auch unterschrieben hat, und einen Heil- und Kostenplan für die Versorgung mit Zahnersatz, den er auch bei seiner Krankenkasse einreichte, nicht jedoch unterschrieb.
Zunächst hat der BGH klargestellt, dass es sich bei einer andersartigen Versorgung um eine medizinisch notwendige Versorgung handelt im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 GOZ und nicht um eine Wunschleistung im Sinne von § 1 Abs. 2 S. GOZ. Sowohl die Regelleistung wie auch die gleichartige und die andersartige Leistung sind zahnmedizinisch notwendig. Lediglich unterschiedlich sind die Abrechnungswege.
Kommt es bei der zahnmedizinischen Behandlung zu Mehrkosten, wie z.B. bei aufwendigeren Füllungen statt preisgünstigen plastischen Füllungen, so haben Behandler und Patient hierüber vor der Behandlung gem. § 28 Abs. 2 S. 4 SGB V eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Dies soll, so führt der Bundesgerichtshof in der o.a. Entscheidung aus, nicht nur Beweiszwecken dienen, sondern hat auch den Patienten warnen und vor überobligatorischen Leistungen schützen.
Hiervor zu unterscheiden sei der Bereich der Versorgung mit Zahnersatz (§§ 55 ff SGB V). Hier bestünde kein Schriftformerfordernis, weil die zu erwartenden Kosten aus dem zwingend vor der Behandlung zu erstellenden und von der Krankenkasse insgesamt –auch hinsichtlich der zusätzlichen andersartigen Leistungen (§ 55 Abs. 4 und 5 SGB V)- zu prüfenden Heil- und Kostenplans ersichtlich sind. Der Patient würde hierdurch hinreichend vor übereilten Entscheidungen geschützt und hat ausreichend Informationen darüber, welche Kosten ihm für den von ihm gewählten Zahnersatz entstehen (Transparenz).
Zwingende Voraussetzung für die Abrechnung von Zahnersatz gesetzlich versicherter Patienten ist, dass eine umfassende Prüfung durch die gesetzliche Krankenversicherung vor der Versorgung erfolgt. Dies setzt jedoch kein Schriftformerfordernis im Sinne von §§ 125, 126 BGB voraus. Nur, wenn der gesetzlich Krankenversicherte ausdrücklich verlangt, auf eigenen Kosten ohne Einschaltung der gesetzlichen Krankenkasse behandelt zu werden, soll vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen Behandler und Patient getroffen werden. In dieser Vereinbarung soll sich der Behandler auch bestätigen lassen, dass es ausdrücklicher Wunsch des Patienten sei, auf eigenen Kosten behandelt zu werden (§ 8 Abs. 7 Satz 3 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte).
Der BGH hat somit im Falle einer andersartigen Versorgung ein Schriftformerfordernis abgelehnt. Zu beachten ist jedoch, dass in dem vom BGH zu entscheidenden Fall ein Heil- und Kostenplan schriftlich erstellt worden war und auch von der gesetzlichen Krankenkasse vor der Behandlung geprüft worden war. Der Patient hatte lediglich den Heil- und Kostenplan nicht unterschrieben und dies war im Praxisalltag nicht aufgefallen.
Da sich die Vorinstanzen jedoch noch nicht mit der Frage beschäftigt haben, ob der Patient wirtschaftlich im Sinne von § 630 c Abs. 3 S. 1 BGB aufgeklärt wurde und ob die Rechnung insgesamt berechtigt war, hat der BGH keine endgültige Entscheidung getroffen, sondern zur Entscheidung an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.
Im Zuge des elektronischen Heil- und Kostenplans wird es, will man Streitigkeiten vermeiden, noch mehr erforderlich werden, dass im Praxisalltag darauf geachtet wird, das vor der Behandlung der Patient über die zu entstehenden Kosten aufgeklärt wird und den schriftlichen Ausdruck über die zu erwartenden Kosten des Heil- und Kostenplans erhält. Dies umso mehr, wenn der Patient eine teure andersartige Versorgung wählt. Auch wenn der BGH das Schriftformerfordernis in Form einer Unterschrift des Patienten verneint hat, sollte dokumentiert werden, dass er über die für ihn entstehenden Kosten schriftlich aufgeklärt wurde, z.B. durch kurz dokumentierte Übergabe der mit dem elektronischen Heil- und Kostenplans eingeführten Ausfertigung des Heil- und Kostenplans für den Patienten.
Dieser Tipp kommt von
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
30169 Hannover
Telefon: 0511 8074995