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Chatgruppen: Fluch – Segen?

Das Handy –immer dabei. Schnelle Absprachen ohne lange und viele Telefonate: Über Chatgruppen auf Social-Media wie Whats up auch unter Mitarbeitern sind sehr beliebt.
Wurde z.B. vergessen, den Computer auszustellen oder ist man sich nicht sicher, ob man eine Tür verriegelt hat –schnell dem Kollegen / der Kollegin eine Whats up gesandt. Die zwei blauen Haken zeigen –die Nachricht ist angekommen und gelesen.
Viele Chat-Gruppen wurden auch während der Corona-Pandemie eingerichtet, um unproblematisch und schnell alle über ein positives Testergebnis –z.B. von Angehörigen oder sich selbst- informieren zu können.

Doch nicht immer werden die Chat-Gruppen so genutzt. Viel häufiger werden die Chat-Gruppen für den Austausch von privaten Informationen genutzt.
Doch was ist, wenn in einer solchen Chat-Gruppe ein Mitarbeiter stark beleidigende, rassistische und sexistische Äußerungen über seinen Vorgesetzten und andere Kollegen äußert und diese Informationen durch ein anderes Mitglied der Chatgruppe an den Vorgesetzten weitergegeben werden.
Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in drei Parallelentscheidungen, 2 AZR 17/23, 2 AZR 18/23 und 2 AZR 19/23 auseinandergesetzt.
Dort waren aufgrund solcher Äußerungen in einer Chat-Gruppe mehreren Mitarbeitern fristlos gekündigt worden, wogegen die Mitarbeiter klagten. Sie vertraten die Ansicht, dass die mit anderen Mitarbeitern im Chat getauschten Äußerungen vertraulich gewesen seien und daher vom Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung nicht hätten genutzt werden dürfen.
Diesem Vortrag waren auch die ersten beiden Instanzen gefolgt. Das Bundesarbeitsgericht hat nun jedoch klargestellt:
Es sei eine Nebenpflicht des Arbeitsvertrages, dass die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen vom Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der anderer Arbeitnehmer nach Treu und Glauben gewahrt werden müssen. „Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die –wie hier- nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann“ (BAG, AZ: 2 AZR 17/23, RN 27). Dabei seien jedoch die Umstände zu berücksichtigen, in denen diese Äußerungen gefallen sind. In einem vertraulichen, persönlichen Gespräch vermag dies eine außerordentliche Kündigung nicht unbedingt rechtfertigen, denn es ist nicht davon auszugehen, dass diese Äußerungen den Betriebsfrieden stören und das Vertrauensverhältnis z.B. zum Arbeitgeber belasten. Anders ist es jedoch, wenn derartige Äußerungen innerhalb einer Chatgruppe mit mehreren Mitgliedern getätigt werden. In einem solchen Fall müssen die Mitglieder davon ausgehen, dass die Äußerungen Dritten wie z.B. dem betroffenen Kollegen oder Arbeitgeber gezeigt werden. Beleidigenden Äußerungen über Dritte, die nicht Teil des Chats sind, können erheblich den Betriebsfrieden stören und können daher eine Abmahnung oder sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Nachdem die ersten beiden Instanzen dem noch gefolgt waren, hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt ist, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Werden, wie in dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fällen beleidigende und menschenverachtende Nachrichten ausgetauscht, habe der Arbeitnehmer darzulegen, warum er erwarten könne, dass der Inhalt von keinem Chatmitglied an einen Dritten weitergegeben werde.
Damit hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass Äußerungen in einer Chatgruppe hinsichtlich der Vertraulichkeit anders zu bewerten sind, als Äußerungen im Pausenraum.
Wird dem Arbeitgeber durch Vorlage entsprechender Chat-Auszüge bekannt, dass ehrverletzende Äußerungen eines Mitarbeiters über einen anderen Mitarbeiter in einer größeren Chat-Gruppe verbreitet werden, so kann ihn dies durchaus berechtigen, rechtliche Schritte, wie Abmahnung etc. bis hin zur außerordentlichen Kündigung zu ergreifen.

Daher gilt: Chatgruppen sind Fluch und Segen zugleich.

Dieser Tipp kommt von
Wencke Boldt
Fachanwältin für Medizinrecht
Hildesheimer Straße 33
30169 Hannover
Telefon: 0511 8074995

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